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Ich bins dein Nachbar…Ilka Baum

ilka_baumIlka Baum wurde 1978 in Thüringen geboren und wuchs am Fuße der Burg Gleichen in einem Dorf auf. Über Wege und Umwege ist die junge Mutter 2006 schließlich in Köln-Mülheim gelandet. Seit etwa drei Jahren lässt sie Menschen über deren Geschichten, Sichtweisen und Projekte durch Interviews und Artikel erzählen. Nun meldet sich Ilka selbst zu Wort:


Kurz gesagt:


1. Ein guter Tag beginnt für mich, wenn...ich gut geschlafen habe
2. Ich komme ursprünglich aus...Wandersleben / Thüringen.
3. Ich bin nach Mülheim gekommen, weil...ich es hier schöner fand, als in K-Merheim
4. Mein liebster Fleck Mülheim ist...am neuen Rheinspielplatz auf der Schaukel
5. Drei Worte, die meinen Charakter beschreiben...facettenreich, neugierig, lustig
6. Ich mag es gern,...wenn Menschen über sich selbst lachen können
7. Ich mag nicht gern,...wenn jemand aggressiv ist
8. Ich lese zur Zeit das Buch...„Morgen in der Schlacht, denk an mich“ von Javier Marias & „Zu früh alt und zu spät weise?“ von Gordon Livingston
9. Dieses Erlebnis vergesse ich nie...ganz klar die Geburt meiner Tochter
10. Auf eine einsame Insel nehme ich mit...meine Tochter und jemand den sie liebt, Streichhölzer 
11. Als Kind wollte ich...soo gern eine Barbi haben
12. Glück bedeutet...zu lieben

Hallo Ilka, wann und warum bist du nach Köln gekommen?
Ich bin 2004 von Thüringen nach Köln gezogen. Es war eine Verstrickung von unterschiedlichen Gründen. Zum einen wollte ich weg aus meiner alten Umgebung, ich durchlebte eine Phase, die nicht sehr gesund für mich war. Zum anderen wollte ich immer in einer großen Stadt leben. Durch Zufall war ich einmal in Köln und mein Bauch hat mir sofort gesagt: „Ja, hier ists schön.“ Die Atmosphäre der Stadt hat mir von Anfang an gefallen. Dann bekam ich einen Job und so bin ich hier gelandet. In Mülheim lebe ich nun seit Ende 2006.

Wie gefällt es dir hier?
An Köln im Allgemeinen mag ich den freundlichen Umgang miteinander. Daran musste ich mich erstmal gewöhnen. Natürlich ist es oberflächlich und enge Freundschaften brauchen unter unfreundlichen Menschen genauso lang, um zu wachsen, wie unter freundlichen Menschen. Das Grundgefühl finde ich aber positiv und das hat bei mir dazu geführt, dass ich viel offener geworden bin. Zusätzlich finde ich es gut, dass hier viele Menschen religiös sind. Ich war sehr überrascht, dass hier fast jeder an etwas glaubt. Das ist im Osten nicht so.

Was bringt dir das?
Ich habe endlich Menschen getroffen, die über ethische und spirituelle Themen reflektieren und sich damit beschäftigen. Da ich selbst mit dem Thema Tod schon öfter konfrontiert war, habe ich nun die Möglichkeit zu schauen, was bleibt übrig? Was verbindet uns? Es hat mir sehr viel gegeben hinter das sichtbare zu schauen. Das hat mir geholfen, mit dem unvermeidlichen klar zu kommen und zu akzeptieren, dass dieses Leben irgendwann ein Ende hat. Ich kann meine sensible Seite mehr ausleben, als ich es in Thüringen getan habe.

Bist du einer Religion angehörig?
Nein. Dafür bin ich glaub ich zu eigensinnig.
Ich glaube daran, dass alles was ich tue, Folgen hat. Wenn ich positiv denke, dann werde ich schöne Dinge erleben. Denn ich richte meine Aufmerksamkeit darauf. Wenn ich pessimistisch bin und eher negativ denke, dann wird mir dies ebenfalls widerfahren. Ich handele, je nach meiner Einstellung. Ich habe mich irgendwann entschieden, mich auf Positives und Lösungen zu konzentrieren und mich nicht zu sehr auf die Probleme zu versteifen. Denn die sind ja da, die Lösungen müssen gefunden und ausprobiert werden. Auch ist mir der Kreislauf des Lebens ersteinmal richtig bewusst geworden, zu dem auch der Tod gehört.

Wie stehst du zu den Religionen?
Ich finde Religionen, genauso wie ideologische Gruppierungen, wenn sie friedlich sind, eine wunderbare Sache, denn sie helfen den Menschen, sich auf Werte, wie Frieden, Demut und Liebe zu konzentrieren. Zusätzlich wären all die wertvollen Lehren verloren gegangen, die uns die Weisen mitgegeben haben, wenn sie die Gemeinschaften nicht bewahrt hätten. Ich sehe Religionen als eine Art Sprache an, die demjenigen, der sie am besten nachvollziehen kann, eine Schule und eine spirituelle Heimat ist.

Wie gefällt dir Mülheim?
Ich liebe Mülheim. Ich wollte so oft weg und bin doch hier geblieben. Das kann nur Liebe sein :-) Allein der Rhein ist traumhaft schön. Ich kann hier und wenn es nur fünf Minuten sind, aus meinem Alltag heraus treten und meinen Kopf frei machen. Auch die unterschiedlichen Kulturen finde ich sehr spannend. Anfangs war ich noch sehr ängstlich, weil ich vorher so gut wie gar keinen Kontakt zu anderen Kulturen hatte. Meine Neugier hat diesbezüglich gesiegt. Ich bin sehr offen und lerne Menschen gern kennen.

Du hast in deinem Leben bereits sehr viele unterschiedliche Menschen kennen gelernt. Bist du tolerant?
Ja ich denke schon. Egal wie jemand aussieht oder woher jemand kommt, es hat jeder seine Geschichte. Ich urteile nicht gern und im Grunde mag ich die meisten Menschen. Es kommt vor, ist aber selten, dass ich mit jemandem gar nicht klar komme. Ich denke, nur weil jemand anders tickt als ich, heißt das nicht, dass er ein schlechter Mensch ist. Er ist eben anders und ich muss auch nicht mein Leben mit diesem teilen. Je nach Wellenlänge entwickeln sich Beziehungen zu den Menschen oder eben nicht.

Es gibt doch immer Menschen, die man nicht mag oder nicht?
Natürlich habe ich zu jedem Menschen ein Gefühl. Wenn ich merke, dass ich mich in dessen Nähe nicht wohl fühle, hat das oft etwas mit mir selber zu tun. Es geht bei mir meist um Konkurrenz oder Minderwertigkeitsgefühle. Dadurch, dass ich das weiß und mir eingestehe, halte einfach Abstand zu demjenigen. Oder ich akzeptiere das Gefühl, als meines, wenn ich mich nicht distanzieren kann. Er/ Sie hat mir ja nichts getan, nur weil mir deren Nase nicht passt. Es entstehen daraus Konflikte, die dann (meistens) nicht eskalieren.

Du stammst aus Thüringen. Wie hat dich die Geschichte geprägt?
Ich habe meine Kindheit in einem Dorf in der DDR verbracht. Wir waren frei, früh in der Krippe, aber im sozialen Gefüge sicher. Ich war meistens mit den Nachbarskindern oder einer Freundin draußen. Wir sind durch Wald und Dorf gezogen und haben die Welt für uns entdeckt. Ich kenne es, dass die Menschen sich gegenseitig geholfen haben und gemeinsam gearbeitet und gefeiert haben. Pionier war ich natürlich auch, es hat mich allerdings nie sonderlich interessiert. Den Ernst der politischen Situation habe ich damals nicht verstanden. Ich hatte durch Fernsehen und Werbung ein naives Bild vom goldenen Westen im Kopf, was für mich wie ein Zauberland schien.


Als du elf Jahre alt warst, änderte sich urplötzlich sehr viel. Die Wende kam, in deiner Familie gab es einen Umbruch und du selbst standest an der Schwelle zur Pubertät.  Wie hat dich das geprägt?
Wohl darin, dass ich viele Umbrüche in meinem Leben selbst entschieden und vollzogen habe, die Folgen hatten. Ich meine damit, dass es lange dauerte, bis ich verstanden habe, dass sich das Leben durch die kleinen Dinge ändert. Das musste ich allerdings schmerzlich lernen. Ich habe einigen Mist gebaut und es tut mir heute noch weh, dass ich einige Lektionen im Leben nicht auf andere Art gelernt habe.

Wie hast du die Zeit nach der Wende erlebt?
Es änderte sich so viel. Wer früher ja sagte, sagte plötzlich nein. Die gesellschaftlichen Strukturen brachen zusammen. Wir als Teenager waren genauso verwirrt, wie die Erwachsenen. Ich ging aufs Gymnasium und lernte neue Freunde kennen. Wir waren sehr frei, denn Sozialarbeiter und Jugendhilfe gab es zu der Zeit nicht. Wir haben unser eigenes Ding gemacht. Das hatte Vor- und Nachteile. Im Rückblick war es eine schöne, aufregende Zeit.

Wie siehst du die DDR heute?
Ich bin natürlich froh, dass wir nicht mehr in einer Diktatur leben. Ich schätze mich selbst nicht so stark ein, dass ich lange gegen das Regime revoltiert hätte. Ich mag mir kaum vorstellen, wie ich jetzt in der DDR leben würde. Ich bin oft noch überwältigt, wenn ich sehe wo und wie ich heute lebe. Das ist unglaublich. Im Gesamten ist es so, dass gesundes Wachstum in einer Gesellschaft nur Schritt für Schritt von statten geht. In einer Diktatur ist das nicht möglich, in einer Demokratie schon. Hier und heute in Deutschland ist nicht alles super. Aber wir haben wenigstens die Möglichkeit zu gestalten. Was mir die DDR gegeben hat, ist meine persönliche Freiheit, als Frau zu leben und mich als Mensch, weiblichen Geschlechts zu sehen. Diesen Geschlechterkampf kenne ich nicht. Ich bin daher gern Mutter, koche genauso gern, wie ich arbeite und freue mich über eine starke handwerklich begabte Hand oder das sicheres Gefühl mit einem Mann an der Seite.

Du bist seit 2007 bei beim Verein lebeART, der sich 2008 offiziell gegründet hat. Wie es dazu gekommen?
Das hat sich durch Zufall ergeben. Zu Beginn habe ich einen Artikel für die Mülheimer Stimmen geschrieben und der kam wohl gut an. Das hat mir Mut gegeben und ich habe weiter gemacht. Ich habe mitgeholfen die Galerie-Graf-Adolf und das MegaHerz weiter aufzubauen und irgendwann haben wir einen Verein gegründet, um eine Rechtssicherheit zu bekommen. Ich habe sehr viel gelernt und noch mal einen völlig neuen Weg eingeschlagen.

Du hast gesagt, du bist sehr freiheitsliebend. Warum hast du dich an einen Verein gebunden?
Hier haben sich Menschen zusammen gefunden, die ihre eigenen Projekte durchführen. Dadurch dass wir ein Team sind unterstützen wir uns gegenseitig und profitieren von den Projekten des anderen. Das ist eine gute Kombination. Zusätzlich bin ich ja das „Küken“ und habe mir viele Fertigkeiten erst aneignen müssen. Da ist es gut, Freunde zu haben, die mich dabei unterstützen ohne mich fest zu halten. Was uns vereint ist der Grundtenor. Wir sind wie eine kleine Werbeagentur für gesellschaftlich sinnvolle Aktivitäten und wir machen. Das heißt wir probieren aus, geben uns Mühe und wachsen an unseren Fehlern. Das ist die Art zu lernen und zu leben, die mir liegt.

Welche Aufgaben übernimmst du konkret?
Ich kümmere mich hauptsächlich um die Print –Veröffentlichungen im Forum Cologne und unserer Seiten in den Mülheimer Stimmen. Hier berichten wir in Form von Artikeln und Interviews über Menschen und Projekte, die Öffentlichkeit brauchen.

Was ist das Forum-Cologne?
Es ist eine Internetplattform. Hier kann jeder, der etwas zu erzählen hat, dieses tun. Dieser Grundsatz ist nach dem Vorbild der Mülheimer Stimmen entstanden, die von der Humanistischen Bewegung seit über zehn Jahren im Stadtteil veröffentlicht und organisiert wird.

Welche Themen sprecht ihr konkret an?
Die Themen sind so breit gefächert, wie die Menschen unterschiedlich sind. Wir berichten momentan über Kunst, Kultur, soziale Projekte und über positive Aktivitäten der Stadt Köln.
Jede Meldung, die ich im Forum-Cologne veröffentliche, finde ich persönlich sinnvoll und wichtig. Es liegt mir einfach am Herzen andere darüber zu informieren. 

Wer veröffentlicht außerdem?
Wir veröffentlichen zusätzlich Beiträge von und für Köln-InSight.TV ein Video- und Radioformat im Internet und auf Radio Köln. Dadurch hat das Forum eine etwas lebeART- lastige, einseitige Färbung und das finde ich schade. Es würde mich und die anderen freuen, wenn neue Sichtweisen, Beiträge, Artikel hinzu kämen, die von verschiedenen Menschen auf deren Art erzählt werden. Die Internetplattform kann vielfältig genutzt werden und wir sind für Ideen und Projekte immer offen.

Wenn du die Macht hättest, die Welt nach deinen Wünschen zu gestalten, was würdest du ändern?
Ich würde veranlassen, dass jeder Mensch einmal in der Woche ehrlich reflektiert, was er so getan, erlebt und gefühlt hat. Das kann allein oder in einer Gruppe geschehen. Dann schreibt er drei Dinge auf, die er gut fand und drei, die ein ungutes  Gefühl im Körper hinterlassen haben. Nach einer Woche zieht er den Zettel heraus, liest sich das Geschriebene durch, denkt und fühlt nach und schreibt einen neuen Zettel.
Zusätzlich würde ich dafür sorgen, dass mit Kindern in Schulen praktisches Lernen und Gestalten durchgeführt wird. Damit sie sich selbst und ihre Grenzen kennen lernen können. Außerdem führt es dazu, dass sie merken, wie wichtig die Gemeinschaft UND jeder einzelne, je nach seinen Stärken und Schwächen, darin ist.

Was glaubst du können Menschen in ihrem Alltag tun, um die Welt positiv zu beeinflussen?
Ab und zu mal daran denken, was gerade gut läuft im Leben. Seinem Nachbar helfen, wenn er Hilfe braucht und etwas abgeben ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten. Das würde schon sehr viel bewirken.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Dass meine Tochter und ich gesund bleiben. Dass wir immer ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen haben. Aktuell wünsche ich mir, dass ich einen Job finde, den ich als Mutter und mit meiner ehrenamtlichen Arbeit verbinden kann und dass ich wieder mehr Zeit habe, Freundschaften aufzubauen und zu pflegen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview in den Mülheimer Stimmen PDF: Ich bins dein Nachbar...Ilka Baum

Information und Kontakt:
ilka@lebeart.de
www.forum-cologne.de
www.lebeart.de