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Die Verlockung im Museum Morsbroich

M Muller HOMEZeitgespenster - Im Schloss Morsbroich

27. Oktober 2012 - 06. Januar 2013

Der Begriff Gespenst weist etymologisch auf das althochdeutsche gispanst/gispensti, gleichbedeutend mit Verlockung hin.
Die Verlockung, die vom Übernatürlichen ausgeht ist dem Menschen so nahe und so alt wie seine Wiege. Mythen und Sagen wimmeln von übernatürlichen Erscheinungen.
Im Schloss Morsbroich, in Leverkusen, unternahm der Kurator Dr. Fritz Emslander ein abenteuerliches Unterfangen, ein Unterfangen, dass den Focus auf Gegenwartskunst und ihre Sehnsucht zu Zwischenwelten lenkt. Interessant ist die nahezu synonym verwandte Zuordnung von Zeitgeist und Zeitgespenst. Das Gespenstische ist dem Zeitgeist eigen, ja Teil von ihm. So dokumentieren die Exponate der bis in den Januar währenden Ausstellung den modernen Kommunikationsmedien eine Eigenwelt, die auf skurrile, befremdliche Weise Austausch zwischen verschiedenen Welten ermöglicht. Klassiker in diesem Kontext ist der aus dem Jahre 1982 stammende Film „Poltergeist“, in dem über das Fernsehen Kontakt zu paranormalen Wesen aufgenommen wird. Die Technologie im Verbund mit übernatürlichen Kräften, Kanäle, die die Sehnsucht des Menschen nach Verbindung zum Jenseits bedienen. Die Ausstellung ist weit gefasst, Hochzeiten der Gespenster-Kultur des 19. Jahrhunderts mit Materialisierungsphänomenen (Freiherr von Schrenk-Notzing) werden zu experimentellen Schallräumen mit eigenartigen Nebenwirkungen (Sue de Beer, Haunt Room) gesellt.
Der Drang zum Virtuellen ist Zeitgeist, Menschen leben ihr Alter Ego in Computerspielen, diese Zwischenwelten sind bedeutend und für viele ist die multimediale Vernetzung elementarer Bestandteil.
So erschuf die Künstlerin Kirsten Geisler Maya Brush, eine virtuelle Person, deren animierte Geburt und Erschaffung auf großer Leinwand verfolgt werden kann. Maya Brush verfügt über einen Facebook-Account (ein I-Pad ermöglicht sofortigen Zugang), und wurde mit dem zuständigen Kurator im historischen Spiegelsaal abgelichtet; die dokumentierenden Postkarten liegen im Schloss aus.
Imagination und Wirklichkeit, Überprüfbarkeit und Spekulation, der Drang des Menschen, über sein eigenes Sein hinaus Verbindungen zu paranormalen Sphären zu schaffen, der irdischen Zwangsjacke zu entrinnen und sei es auch nur in den Schutzräumen der Imagination, führten zu den verwegensten Gebilden von Kunst und Wissenschaft. Björn Melhus ist ein kleines Zauberwerk gelungen, gleichnamig sein sechsminütiger Film „Zauberglas“ aus dem Jahre 1991, in dem der Protagonist über einen Fernseher Kontakt zu seinem weiblichen Wunschdoppelgänger aufnimmt. Melhus nutzt das Medium in märchenhaft entrückter Weise.
Um mit Dr. Fritz Emslanders Worten zu enden:
„Das Ich, das sich in Melhus Video spaltet und mit dem Sprung in den virtuellen Raum des Fernsehens (...) als mediales Alter Ego wiederkehrt, zeigt, wie die Schwelle zwischen Wirklichkeit und Medienwelt durchlässig wird. Auf exemplarische Weise befragt Melhus die Zaubertauglichkeit der technischen Medien und thematisiert zugleich den `Verlust der Subjektivität durch die Welt der technischen Bilder und die Frage nach deren Bedeutung für die Neukonstruktion der Identität`.“

Museum Morsbroich
Gustav-Heinemann-Str. 80
51377 Leverkusen
Telefon: +49 (0)214 85556-0
Fax: +49 (0)214 85556-44
museum-morsbroich@kulturstadtlev.de
Weitere Infos: www.museum-morsbroich.de

Öffnungszeiten:
Donnerstag 11 bis 21 Uhr (außer feiertags, dann nur bis 17 Uhr)
Dienstag, Mittwoch, Freitag bis Sonntag 11 bis 17 Uhr
Öffentliche Führung jeden Sonntag 15:00 Uhr

von Katja Egler Streil