Gelesen! "Lieber Engel...Briefe und Bilder aus Köln 1946 - 48"

lieber_engel_briefe_und_bilder_aus_koeln_1946_48von Paul Haentjes

Der Kölner Paul Haentjes ist ein junger Mann, der in den Jahren 1946 – 48 in Köln lebte. Er selbst ist aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden, während sein Freund Engelbert Gorius noch in Frankreich fest sitzt.
Diesem schreibt der Kölner regelmäßig Briefe. Zum Einen erhält er so das Band zur Heimat für Engelbert aufrecht, zum anderen entsteht eine lebensnahe Dokumentation dieser Zeit im zertrümmerten Nachkriegsdeutschland.

Paul Haentjes erzählt in seinen Briefen von den alltäglichen Schwierigkeiten, die er und seine Familie zu bewältigen haben. Er ist ein bürgerlicher, gottesfürchtiger Mensch, der eine Schwäche für Klassikkonzerte hat. Der kulturelle Genuss war für den jungen Mann sehr wichtig war, trotz Kälte, Hunger und Not.

An nur sehr wenigen Textstellen fällt dem Leser auf, dass Paul gerade einmal 18/19 Jahre alt ist. Seine Berichte wirken erwachsen und zeigen auf, dass Träume und große Ziele mit den Realitäten nicht vereinbar waren.
Er ist konfrontiert mit Trümmern, dem Tod seines Vaters, Kälte, Hitze, Hochwasser. Paul Haentjes arrangiert sich mit den Gegebenheiten und die Familie kämpft sich Stück für Stück durch das Elend.
Es werden dem Leser Aspekte aufgezeigt, die wir in unserer „satten“ Welt nicht berücksichtigen. Was mache ich in einer Großstadt, wenn keine Bahnen fahren? Wenn es weder Gas, noch Kohle zum heizen gibt? Was mache ich wenn es nichts zu essen gibt?
Ähnlich einem Krimi, folgt der Leser den Erzählungen Haentjes. Obwohl oder vielleicht auch gerade weil der Ausgang bekannt ist, bleibt die Neugier nach dem: Wie war das damals? 

Die Briefe sind ein Dokument. Der Verfasser, beschrieb seine damals gegenwärtige Welt, ohne zu wissen, was daraus hervor geht. Echt und lebensnah.

Besonders erwähnenswert ist folgender Absatz aus eine Brief vom 23. März 1947. Es sind Gedanken, die rein und ehrlich erwachsen, da es keine Phantasie und alternativen Gedanken gibt, sondern lediglich die Realität. Sie erstreckt sich erbarmungslos vor den Füßen eines jungen Menschen, der den Großteil seines Lebens in Kriegszeiten verbracht hat und nun die Folgen zu spüren bekommt.
"Ich bin nicht der Ansicht, dass es nicht das deutsche Volk oder das französische oder sonst eines gewesen ist, das in den tieferen Ursachen den Anstoß zu diesem Krieg gab, sondern dass es die ganze moderne materialistische Welt ist, die Schuld an diesen Zuständen hat. Und es wäre die Aufgabe des Christentums, hier zu helfen und zu verändern, um den Menschen ein anderes, besseres Zeitalter zu bringen."

Paul Haentjes schrieb dies im März 1947 nieder. Der voraus gegangene Winter war einer der bittersten seit Jahren und die Menschen mussten viele Entbehrungen auf sich nehmen, wenn sie die Kälte überhaupt überlebten. In diesen Worten sind weder Hass noch Groll, sondern pure Einsicht enthalten.

Wie der Titel sagt, „Lieber Engel…Briefe und Bilder aus den Jahren 1946 – 48“ , ist das Buch eine zweiteilige Dokumentation. Es wurden Bilder der erschütternden Zerstörung, die Köln während des zweiten Weltkrieges, erlitten hat, zusammen getragen.
Es erscheint unglaublich und Gedanken an die Hölle auf Erden steigen auf. Niemand, der es nicht selbst erlebt hat, kann diese Zeit nachvollziehen. Einfach alles lag in Trümmern. Nur der Dom tronte über der Stadt und war ein Hoffnungsschimmer für die Menschen. Die Bilder zeigen Panoramaaufnahmen und persönliche Eindrücke der Nachkriegszeit. Allein schon durch die Bilder ist das Werk einen Blick wert.

Die Erzählungen zeigen einmal mehr, dass der Mensch sehr anpassungsfähig ist.
Die Spuren, die die Erfahrungen hinterlassen, sind jedoch tief. Dieses Buch ist ein kleiner Aufklärungsversuch für uns jüngere Menschen, um auch nur annähernd unsere Eltern und Großeltern zu verstehen. Ihre Sichtweise und warum sie so fixiert auf Materielles und Wachstum sind. Auch wenn es an der Zeit ist, Menschen mit anderen Erfahrungen gestalten zu lassen, gebührt es der Respekt das Handeln und die Verschwendung wenigstens verstehen zu können.

Ilka Baum

Paul Haentjes

"Lieber Engel...Briefe und Bilder aus Köln 1946 - 48"

Verlag: Edel Germany GmbH

ISBN: 978-3-941378-78-0


 

 

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Nachrichten und Doku

ANGA COM 2024: Jetzt anmelden für nur


  • csm ANGA COM 2024 9f5665d3deKongressmesse für Breitband, Fernsehen & Online vom 14. bis 16. Mai 2024 in Köln
  • Jetzt online: Programm der Innovation Stage in Halle 7 mit freiem Zugang für alle Besucher
  • Panels von Accenture, Egon Zehnder und des VATM für alle Messebesucher zugä...

  • weiterlesen...

    VCD kritisiert den Testlauf mit


    VCDKöln, den 12. April 2024 Mit Verwunderung wird am kommenden Sonntagnachmittag der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Regionalverband Köln das Spektakel auf der Ost-West-Achse verfolgen, wo ein umstrittener politischer Beschluss umgesetzt werden soll, ...


    weiterlesen...

    Das Kölner Fahrradquiz geht in die 19.


    stadt Koeln LogoAb Montag, 15. April 2024, lädt die Stadt wieder alle Kölnerinnen und Kölner ein, ihr Wissen auf dem Gebiet der aktuellen Radverkehrsregeln zu testen. Ziel ist es, die Kenntnisse der Verkehrsregeln zu verbessern. Auch das Verständnis zwischen den ...


    weiterlesen...

    03.05.- 30.06.24 Gruppenausstellung


    Gruppenausstellung1Köln-Ehrenfeld. Unter dem Titel „Die Rückkehr der Lebendigkeit“ präsentieren die Künstler Claudia Cewille, Maryom und Christian Verspay mit NoëLLe, und Petra Mazet sowie Regina Nußbaum vom 3. Mai bis 30. Juni 2024 ihre Installation im Bürgerzentru...


    weiterlesen...

    "Yoga im Alter" in Köln - Buchforst /


    Alexander20Meyen20PortraitneuYoga ist für ältere Menschen ein grosses Geschenk. Wer in seinen späteren Lebensjahren Yoga praktiziert, gewinnt nicht nur Gesundheit und Zufriedenheit, sondern auch einen frischen Geist, denn der Yoga öffnet den Blick für das Leben. Man kann nach...


    weiterlesen...

    Demokratie und Partizipation


    777811 teaser publikation 800Neue Ausgabe des bpb:magazins der Bundeszentrale für politische Bildung // Interview mit Protestforscher Dieter Rucht // Fünf Praxisbeispiele von Politischen Bildnern und Einblicke in den Wahl-O-Mat zur Europawahl // Jetzt kostenlos bestellen unte...


    weiterlesen...
    @2022 lebeART / MC-proMedia
    toTop

    Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.