Russland: Kritik an der Regierung ist kein „Extremismus“. Einstufung von Nawalny-Organisationen als „extremistisch“ ist ein unhaltbarer Angriff auf die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit

amnesty logoBERLIN, 10.06.2021 – Amnesty International kritisiert die Entscheidung des Moskauer Stadtgerichts aufs Schärfste, die mit Alexej Nawalny verbundene Anti-Korruptions-Stiftung (FBK), die Stiftung zum Schutz der Bürgerrechte sowie „Nawalnys Stäbe“ als „extremistisch“ einzustufen und folglich ihre Aktivitäten zu verbieten.

„Dieser Angriff auf zivilgesellschaftliche Aktivitäten dient einzig dazu, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit tausender Menschen in Russland zu unterdrücken. Mit dieser Entscheidung könnten die Unterstützer_innen von Alexej Nawalny, die praktisch größte politische Oppositionsgruppe im Land, bei Fortsetzung ihres gesellschaftlichen und politischen Engagements allein deswegen strafrechtlich verfolgt werden“, sagt Peter Franck, Russland-Experte bei Amnesty International in Deutschland. „Der nur vage definierte Begriff des Extremismus wird zunehmend zum Synonym für regierungskritische Tätigkeit.“

Dutzende Mitarbeiter_innen von „Nawalnys Stäben“, die in 34 russischen Regionen arbeiteten, und Hunderttausende von Internetnutzer_innen, die die Materialien der Nawalny-Gruppen in sozialen Netzwerken geteilt haben, sind nun potenzielle Ziele für Repressalien. Die Gerichtsentscheidung bedeutet ein Verbot aller Aktivitäten für die genannten Gruppen und dass ihr Vermögen beschlagnahmt wird. Zudem drohen den Mitarbeiter_innen bei Fortsetzung ihrer Tätigkeit mehrjährige Haftstrafen.

„Das Ziel ist klar: Alexej Nawalnys Bewegung soll zu Fall gebracht werden, während er im Gefängnis sitzt und dort zum Zuschauen verdammt ist. Es ist bezeichnend, dass das Gerichtsverfahren für ‚geheim‘ erklärt wurde und ohne ausreichende Transparenz für die Öffentlichkeit durchgeführt wurde“, sagt Franck.

Franck weist weiter darauf hin, dass die Gerichtsentscheidung nach einem in der letzten Woche von Präsident Putin unterzeichneten Gesetz unmittelbare Folgen auch für die im Herbst anstehenden Duma-Wahlen hat. Wer eine Organisation, die durch eine gerichtliche Entscheidung als „extremistisch“ eingestuft worden ist, innerhalb eines Jahres vor dieser Entscheidung unterstützt hat, kann danach drei Jahre lang nicht mehr kandidieren und ist dadurch von den anstehenden Duma-Wahlen ausgeschlossen. „Gerichte, Gesetzgeber und Präsident wirken derzeit effizient zusammen, um im Herbst für das von ihnen gewünschte Wahlergebnis zu sorgen“, so Franck.

Hintergrund

Russlands Präsident Wladimir Putin hat am vergangenen Freitag ein neues Gesetz zur Zulassung zu Wahlen unterzeichnet. Russischen Behörden ist es nun möglich, Kandidierende wegen der Zusammenarbeit mit »extremistischen und terroristischen« Organisationen von allen Wahlen auszuschließen.

Die Mitgliedschaft in „extremistischen“ Organisationen wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 12 Jahren bestraft. Die Finanzierung solcher Organisationen kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren führen, und die öffentliche Verwendung ihrer Symbole und Logos birgt das Risiko eines einjährigen Verbots, sich um ein Wahlamt zu bewerben. Die Anti-Korruptions-Stiftung war in Russland beim Crowdfunding besonders erfolgreich und hat Zehntausende von Spender_innen gewonnen. Alle diese Personen werden möglicherweise strafrechtlich verfolgt, und es gab Fälle in Russland, in denen strafrechtliche Sanktionen, einschließlich Haftstrafen, rückwirkend verhängt wurden – für finanzielle Beiträge, die geleistet wurden, bevor eine Gruppe als „extremistisch“ eingestuft wurde.

Alexej Nawalny überlebte nur knapp eine Vergiftung vom 20. August 2020 in Russland. Am 17. Januar wurde er nach seiner Rückkehr aus Deutschland, wo er behandelt worden war und sich erholt hatte, festgenommen. In der Folge wurde eine bereits verhängte, aber zur Bewährung ausgesetzte, Bewährungsstrafe wegen angeblichen Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen vollstreckt. Die gerichtliche Entscheidung vom 2. Februar 2021 ist nach Ansicht von Amnesty International rechtswidrig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte am 16. Februar die sofortige Freilassung von Nawalny angemahnt.

Amnesty International hatte im Februar 200.000 Unterschriften an die russischen Behörden übergeben, in denen die sofortige Freilassung Nawalnys gefordert wird. Die Amnesty-Kampagne zur Beendigung des schweren Unrechts, das Nawalny und vielen anderen in Russland angetan wurde und wird, geht seither weiter.

Quelle: www.amnesty.de

Diesen Beitrag teilen, das Unterstützt uns, DANKE !

FacebookVZJappyDeliciousMister WongXingTwitterLinkedInPinterestDiggGoogle Plus

weitere Beiträge

Nachrichten und Doku

ANGA COM und VATM intensivieren


angaANGA COM und VATM intensivieren Partnerschaft auch im Jahr 2024

  • Europas führende Kongressmesse für Breitband, Fernsehen & Online
  • VATM als Kooperationspartner zweier Strategie-Panels im Kongressprogramm
  • Neueste Gigabit-Zahlen von Dialog Consult und...

  • weiterlesen...

    Wasserstoff nicht verheizen: Verbände


    umweltMünchen, 21. März 2024. In diesen Tagen flattert etwa 7000 deutschen Bürgermeister:innen Post ins Haus: In einem offenen Brief warnen 217 Organisationen davor, Wasserstoff großflächig in der kommunalen Wärmeplanung einzuplanen. Während die Gaslobb...


    weiterlesen...

    lit.COLOGNE 2024 feiert mit 112.500


    litCO24 Brendel Madel Stratmann OsnowskiHieronymus RonneperBei 181 Veranstaltungen an 13 Festivaltagen besuchten insgesamt 112.500 Menschen die bisher umfangreichste Edition des Literaturfestivals und sorgten für eine beispiellose Auslastung von rund 95 Prozent. Die integrierte lit.kid.COLOGNE lockte 27.5...


    weiterlesen...

    Erfolgreiche Nachwuchsbörsianer setzen


    Gruppenbild Siegerehrung Börsenspiel 11.3.2024 Foto KSKKreissparkasse Köln zeichnet die erfolgreichsten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 41. Online-Börsenspiels aus

    Köln, den 11. März 2024 - Die Kreissparkasse Köln zeichnet die Gewinnerinnen und Gewinner des 41. Online-Börsenspiels aus, die sich im ...


    weiterlesen...

    Schüleraustausch Stipendien: Stiftung


    stipendiumSchüleraustausch: Stiftung Mensch und Zukunft bietet Schülern Unterstützung für ihr Auslandsjahr an einer High School im Schuljahr 2024 / 2025

    Das Interesse der jungen Leute am Schüleraustausch ist groß. Viele Schülerinnen und Schüler wollen in di...


    weiterlesen...

    Gemeinsam für Inklusion: TH Köln und


    TH KölnTeilhabe als Menschenrecht soll auch in der Stadtentwicklung verwirklicht werden. Daher widmet sich die TH Köln ab Mitte 2024 mit einer neuen Stiftungsprofessur und einem Stiftungsfellowship in Residence der inklusiven Quartiersentwicklung. Dabei ...


    weiterlesen...
    @2022 lebeART / MC-proMedia
    toTop

    Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.