Die Lieder des Lebens Kreative Freiräume und Spielplätze für Jung & Alt

Veröffentlicht in Kunst und Kultur in Köln

Annie We Foto Michael SchmidtInterview mit der Kölner Musikerin & Kulturgeragogin Annie We

Die Musikerin Annie We berichtet im Gespräch mit unserer Redakteurin Regina Nußbaum über ihre Arbeit als Musikerin und Kulturvermittlerin. Annie ist ausgebildete Pädagogin und zertifizierte Kulturgeragogin, Theaterpädagogin & freie Musikerin. Sie arbeitet freischaffend von Köln aus. Mit ihren Theaterprojekten ACHTUNG ! Spielfreude ! eröffnet sie Spiel- und Dialogräume für die Kontakte zwischen Jung & Alt. Ein besonderes Anliegen ist ihr die breite Musikvermittlung im Rahmen biographisch orientierter Konzerte & Workshops für Menschen in allen Lebenslagen.

Regina Nußbaum: „Du baust kulturelle Brücken durch den spielerischen Dialog zwischen den Generationen. Was oder wer hat dich zu dieser Arbeit inspiriert?

Annie We: „In meinem früheren Beruf als Pädagogin und Kunstlehrerin habe ich sehr lange ausschließlich mit Kindern gearbeitet. Diese Arbeit habe ich sehr geschätzt, doch das Schul-System, in dem ich steckte, hat mir und den SchülerInnen viele kreative Freiräume verwehrt. Daher habe ich mich 2017 endlich dazu entschlossen und durchringen können, beruflich andere und freie Wege zu gehen und habe mich selbständig gemacht als Kulturschaffende. Während meiner Recherche in dieser Umbruchphase begegnete mir das Berufsfeld der Kulturgeragogik. Das war ein gefundenes Fressen für mich, da ich hier meine Zielgruppe auf die ältere Generation erweitern konnte. Seither kann ich kulturelle Projekte mit Menschen jeden Alters und auch in intergenerationellen Zusammenhängen kreieren – sei es in den Sparten Musik, Theater oder Kunst.

Regina Nußbaum: „Wie entstehen deine Songs und Texte?“

Annie We: „Ich schreibe gerne und viel, und ich mag Geschichten, Märchen und Kinderbücher. Von daher entstehen in meiner Song-Arbeit zu allererst Geschichten aus dem Leben, die ich dann auf Verse und Songzeilen herunter breche und komprimiere. Danach widme ich mich der Melodie. Ich probiere und improvisiere mit Stimme, Ausdruck, Emotionen und Rhythmus. Da kommen meine Ansätze als Sängerin und Theatermensch zum Tragen. Erst ganz zum Schluss kommt dann der musikalisch Teil mit Instrument – in meinem Fall die Ukulele. Mein liebster Arbeitsplatz und Probenraum ist dafür mein Bulli. Wenn ich mit ihm an irgendeinem Wasser stehe – See, Fluss, Bach oder Meer – dann fließt es am besten.“

Regina Nußbaum: „Was berührt dich bei deiner Arbeit am meisten?“

Annie We: „Mich berührt es, wenn ich Menschen berühre – egal ob über die Musik, über die Geschichten oder über Theater spielen. Und ich mag es, Menschen aus der Reserve zu locken, sie anzuregen und zum Strahlen zu bringen – oder auch mal zum Weinen oder zumindest zum Nachdenken. Was mich am meisten fasziniert beim Musikmachen, ist die Tatsache, dass es in der Evolutionsgeschichte des Menschen ab einem gewissen Zeitpunkt eine große Rolle gespielt hat. Vor allem die Entwicklung der Singstimme finde ich sehr interessant, obwohl es dazu weniger Forschungsergebnisse gibt, als bei den Instrumenten, da es hier ja keine Artefakte gibt.

Ich bin aber überzeugt davon, dass - fernab jeglicher Bewertung - alle Menschen Musikalität und Kreativität in sich tragen, dies aber leider zu oft abgewöhnt, nicht gesehen oder nicht beachtet wird in unserer abendländischen Gesellschaft als wichtige und sehr gesunde Facette und Ressource des Menschseins. Umso mehr bemühe ich mich in meiner Arbeit um das Ursprüngliche, Spontane, Authentische, Persönliche und auch mal das Unperfekte auf der Bühne – und in der Vermittlung. 

Regina Nußbaum: „Welche Projekte sind gerade bei dir in Planung?“

Annie We: Ich veranstalte verschiedene Workshops, Weiterbildungen und Konzerte zum meinem biographisch orientierten Motto Die Lieder eines Lebens an verschiedenen Orten und mit verschiedenen Trägern in NRW, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Am meisten freue ich mich auf eine neue Erfahrung mit queeren älteren Männern und einer Generationen-Gruppe aus älteren Männern und Jungs.

Eines meiner Herzens-Projekte jährt sich diesen Sommer außerdem zum dritten Mal: Als Musikerin in Residenz werde ich mit meiner Ukulele und meinem Erinnerungskoffer erneut fünf Tage ressourcenorientiert in zwei Senior:innen-Häusern in Wolfenbüttel touren und die Menschen dort in Gespräche über Musik & Leben verwickeln. Als Training on the job können davon auch wieder die Betreuungskräfte vor Ort zehren, und diese Anregungen in Zukunft in ihre Pflege-und Betreuungs-Arbeit einbauen.

www.annie-we.de
www.youtube.com/@anniewe6575
www.facebook.com/profile.php?id=100012053655738 

Text: ©Regina Nußbaum
Foto: ©Michael Schmidt

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