Filmtipp: "The age of stupid"
· In immer tieferen Gewässern suchen Ingenieure nach Erdöl und schwören menschengemachte Umweltkatastrophen wie derzeit im Golf von Mexiko herauf: Immer mehr Risiko für immer mehr Wachstum. Der Film „The Age of Stupid – warum tun wir nichts?“ sucht nach Ursachen für den Größenwahn und nach Erklärungen, weshalb die Menschheit weiterhin arglos Ressourcen vergeudet, obwohl sie es besser wissen müsste. Bis zum Jahr 2055 könnte unser Planet veröden, wenn sich an der Abhängigkeit vom Erdöl nichts ändert.
BIELEFELD. Der letzte Mensch, gespielt vom oscarnominierten Schauspieler Pete Postlethwaite, sucht in dem Film „The Age of Stupid – warum tun wir nichts?“ im Jahre 2055 als letzter Mensch der Erde vor seinem interaktiven Bildschirm nach Antworten auf die Frage: „Warum nur haben wir die Klimakatastrophe nicht verhindert, als wir noch die Chance dazu hatten?“. Sechs wahre Geschichten, angereichert mit Original-Fernsehbeiträgen der Zeit zwischen 1950 und 2008, dokumentieren den alltäglichen Wahnsinn unserer Zeit – und geben eine erschütternde Antwort, warum wir unseren Lebensraum nicht bewahren konnten.
Das britische Parlament hat sich inzwischen geschlossen der aus dem Film hervorgegangenen Bewegung „10:10“ angeschlossen. Außerdem 72.000 Menschen und große Unternehmen wie Sony, die Royal Mail oder die HSBC Bank. Die Forderung hinter „10:10“: Innerhalb von einem Jahr soll der Co2-Ausstoß um zehn Prozent reduziert werden.
Die Gefahr des Klimawandels ist zwar hinlänglich bekannt. Dieser Einsicht entsprechend handeln möchte aber niemand: Die Anwohner eines Dorfes im britischen Cornwall befürchten, dass Windräder ihre Landschaft verschandeln könnten. Ein indischer Geschäftsmann gründet in Indien eine Billig-Airline und lässt sich dafür feiern, den verheißungsvollen kapitalistischen Wohlstand in sein Land zu bringen. Ein 82-jähriger Bergführer in Frankreich sieht die Gletscher dahinschmelzen und kämpft gegen Lkw-Transporte durch seine Bergregion, die Milch nach Italien bringen, um sie als Joghurt wieder zurückzuholen. Eine Frau in Nigeria holt aus ihrem See Fisch, der von einer naheliegenden Raffinerie verölt ist. „Im Westen muss das Leben so schön sein, da möchte man bestimmt gar nicht sterben“, sagt sie. Und ein Ingenieur auf einer Ölplattform im Golf von Mexiko kommt am Ende der Dreharbeiten zum persönlichen Fazit: Wir leben im Zeitalter der Dummen, weil wir so viel falsch machen, obwohl wir es eigentlich besser wissen.
In glaubhaften Bildern, ohne anklagend zu sein, legt der Film eine Denkart offen, die auf stetes Wachstum zielt, in immer tieferen Gewässern nach Öl bohrt – und an ihrem Größenwahn zugrunde geht. Gleichzeitig zeigt die Regisseurin Franny Armstrong aber auch alternative Ansätze, erzählt von gewöhnlichen Menschen, die im eigenen Umfeld mit einem großen Umbruch beginnen, der zu einem völlig neuen Umgang mit den Ressourcen der Erde führt.
„Entweder widmen wir uns jetzt ernsthaft dem Klimawandel, oder wir löschen einen Großteil des Lebens auf der Erde aus. Die Zukunft von all dem, was wir als Spezies erreicht haben, steht auf dem Spiel“, sagt die Regisseurin Franny Armstrong. Lediglich 94 Tonnen CO2 seien bei den Dreharbeiten ausgestoßen worden. Soviel, wie eine vierköpfige US-Familie durchschnittlich im Jahr verbraucht. Der deutsche Filmverleih TAO Cinemathek hat diese Emissionen durch den Kauf von CO2-Klimakompensations- Zertifikaten und eine zusätzliche Aufforstung neutralisiert, so dass „Age of Stupid“ als die wohl weltweit erste Dokumentation gelten darf, die vollständig klimaneutral produziert wurde.
Während Al Gores „Eine unbequeme Wahrheit“ das Interesse vieler Menschen an Klimafragen geweckt hat, geht „The Age of Stupid – warum tun wir nichts?“ einen Schritt weiter und hinterfragt den moralischen, psychologischen Nährboden, auf dem heutzutage jeder einzelne Weltenbürger das Klima betreffende Entscheidungen fällt. Entscheidungen, die angesichts der sich häufenden Naturkatastrophen bereits im Jahre 2055 der Welt ein neues Gesicht geben könnten. Und das nicht nur wegen der Umweltfolgen: In Berlin installierte der Joseph Beuys-Schüler Hermann Josef Hack anlässlich der Premiere am 1. Juni ein Miniatur-Klimaflüchtlingslager, um auf die politische Brisanz des Klimawandels hinweisen: Die Internationale Organisation für Migration prognostiziert für das Jahr 2050 ca. 200 Millionen Klimaflüchtlinge.
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