Köln-Insight im Interview mit Katrin Liebelt über ihren ersten Roman "Im Norden ein Licht"

KATRIN LIEBELTKatrin Liebelt las in der Arnsberger Buchhandlung Hautermans/ Alter Markt 10, aus Ihrem ersten Roman "Im Norden ein Licht", Helena Katsiavara von Köln-InSight.TV traf die Autorin zu einem Interview.
 
Die Buchhandlung ist in einem uraltem Fachwerkhaus untergebracht. Es liegt Schnee am 21.Februar 2013, als wir später ankommend wegen dem Stau in das Gebäude eintreten. Der Raum ist voll und die bescheidene Stimme von Katrin Liebelt füllt den Raum.
Ich bleibe still stehen, denn jede Bewegung lässt den alten Boden der Buchhandlung knirschen. Bilder werden durch unsere Fantasie aktiv, sie schweben durch den Raum. Die Geschichte des Romans wird nur wenig preisgegeben, so viel aber, dass man Lust nach mehr Geschichte bekommt. Mit Freude nähere ich mich später ihr, um meine Fragen zu stellen.
 
Das ist das erste Buch, das in Form eines Romans entsteht. Erzähle uns von deinen früheren  Schreibtätigkeiten.
Ich habe seit dem Studium (Geschichte, Politikwissenschaft, Anglistik) mein Geld mit dem Schreiben verdient - erst als Redakteurin, seit 2003 dann als Redenschreiberin für verschiedene Bundespolitikerinnen und -politiker. Anfangs habe ich für die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt Reden geschrieben, später war ich dann für verschiedene Staatssekretäre und auch für die Arbeitsminister Franz Müntefering und Olaf Scholz tätig.
Mein erstes Buch war die Veröffentlichung meiner Magisterarbeit ("Die Sozialstruktur der Residenzstadt Arnsberg im 17. Jahrhundert"), die ich stilistisch natürlich  überarbeiten musste, bevor sie als Monographie erschien.
Aber einen Roman zu schreiben, ist eine völlig andere Sache. Nichts ist vorgegeben, die Figuren und die Geschichte dürfen sich völlig frei entwickeln. Das war für mich eine ganz neue und unglaublich schöne Erfahrung.
 
Zurück zu deinem ersten Romankind.Wie bereitest du dich vor, um die Geschichte zum Leben zu erwecken?
Als die Idee zu "Im Norden ein Licht", das ja auch ein historischer Roman ist, geboren war, habe ich zunächst ziemlich viel recherchiert. Das hat mir großen Spaß gemacht, denn ich konnte mal wieder das Handwerkszeug herausholen, was ich mir im Geschichtsstudium aneignen musste. Die Recherche ging über Kartenmaterial, historische Abhandlungen und TV-Dokus, über Reiseführer und Landschaftsbeschreibungen bis hin zu Feldpostbriefen.
Aber das ist mehr das Fundament, auf dem ich dann die Geschichte aufgebaut habe. Als ich anfing zu schreiben, hatte ich nicht mehr als die Idee und dieses fachliche Fundament. Die Geschichte wurde irgendwie zum "Selbstläufer", so, als würden sich die Figuren und die Handlung ganz von allein entwickeln. Insofern war ich vielleicht die "Geburtshelferin" der Geschichte, aber sie hatte dann ganz schnell ein Eigenleben.
 
Es geht in dem Buch um die Geschichte deines Vaters, der in der Zeit des 2.Weltkrieges mit 17 Jahren Soldat (nicht eingezogen, er meldet sich ja freiwillig, Anm.) wird und nach Finnisch-Lappland geschickt wird. In wie fern beeinflusst diese Art von Aufarbeitung die Beziehung zu deinem Vater?
Mein Vater hat das Erscheinen des Romans ja nicht mehr erlebt. Er ist 2008 im Alter von 85 Jahren verstorben. Ich hatte also wirklich lange etwas von ihm, dafür bin ich sehr dankbar. Vor allem auch dafür, dass er im Gegensatz zu so vielen seiner Generation über seine Erlebnisse gesprochen hat statt alles zu verdrängen und zu verschweigen. Während ich mich mit seiner Geschichte beschäftigt habe, alte Fotos und Dokumente wie z.B. das Soldbuch gesichtet habe, kam plötzlich ganz viel wieder, was er früher erzählt hat und was ich nicht mehr so präsent hatte. Ich habe dann gespürt, dass er mir immer noch sehr nahe ist und die Entstehung des Romans irgendwie begleitet hat.
 
Wie hast du ihn als Kind gesehen, er litt ja unter eine Kopfverletzung...
Und im Nachhinein? Hat sich der Blickwinkel verändert?
Ich kannte meinen Vater ja nie anders als mit dem Loch in der Stirn, insofern war das für mich ganz normal. Ich habe seine Verwundung eigentlich nur wahrgenommen, wenn ich gemerkt habe, wie andere Leute, vor allem andere Kinder, hingestarrt haben. Erst dann ist mir das richtig aufgefallen. Ich denke, es spielt auch eine Rolle, dass es in der Generation meines Vaters ja sehr viele kriegsversehrte Männer gab. Der Anblick von Arm- oder Beinamputierten war gar nichts Außergewöhnliches, als Kind habe ich die Folgen des Krieges also oft auch bei anderen gesehen. Ich kann wirklich sagen, dass mir das nichts ausgemacht hat.
Heute denke ich, wie schlimm es für meinen Vater gewesen sein muss, schon mit Anfang zwanzig für sein ganzes Leben "entstellt" zu sein. Man muss sich das einmal vorstellen - ein Zweiundzwanziger, der einen vernarbten Krater mitten auf der Stirn trägt. Das war bestimmt traumatisierend, wenn ich von meinem Vater auch keine Klagen darüber gehört habe. Nicht über das Optische jedenfalls, denn er hatte immer an den Spätfolgen der Kopfverletzung zu tragen, hatte Schmerzen usw.
Durch den Roman hat sich mein Blickwinkel vor allem in einem Punkt verändert: Mir ist heute viel bewusster, wie verdammt jung mein Vater war, als er diese grauenhaften Erlebnisse hatte. Als er sich mit Siebzehn freiwillig gemeldet hat, war er so alt wie meine älteste Tochter heute. Wenn  ich sie und ihre Freunde, die sich natürlich alle wahnsinnig erwachsen vorkommen, heute anschaue, kann ich gar nicht fassen, wie man diese grauenhafte Kälte, die ständige Todesangst, das massenhafte Sterben der Freunde und all diese Dinge überhaupt aushalten kann, wenn man so jung ist, wie mein Vater es damals war.
 
Und deine Mutter, wie hat sie auf das Geschehen reagiert?
Auch meine Mutter hat die Kriegserlebnisse meines Vaters noch einmal reflektiert. Mit dem Abstand der Leserin ist das ja leichter, als wenn man vierzig Jahre lang mit jemandem zusammen ist, der das alles erlebt hat. Nicht alles natürlich, der Verlauf der Geschichte ist ja fiktiv, aber das weiß meine Mutter. Insofern konnte sie einen Teil meines Vaters "kennen lernen", den sie so nicht kannte: den ganz jungen Mann, der von zuhause fort geht um Soldat zu werden. Als die beiden sich begegnet sind, lag das alles ja schon zwei Jahrzehnte zurück. Ich denke, meine Mutter versteht nun genau wie ich eine Seite meines Vaters, die uns immer ein wenig unheimlich war: die tief sitzenden Ängste und Traumata, die ja auch zu seiner sonst so positiven Persönlichkeit gehörten. Nun sehen wir beide klarer, wo diese düstere Seite ihren Ursprung hatte.
Mit der Liebesgeschichte hat meine Mutter übrigens kein Problem. Ihr ist schon klar, dass es eben am Ende ein Roman ist und keine Biographie.
Hattest du schon damals den Wunsch mehr zu erfahren, über die Umstände des Geschehens?
Ich hatte schon immer ein Faible für Geschichte, besonders auch für die des Dritten Reiches, seine Vorgeschichte und die Folgen dieser Katastrophe. Das hat bestimmt etwas damit zu tun, dass mein Vater als Wehrmachtssoldat direkt beteiligt war und mir alles näher war, als wenn ich nur Bücher gelesen oder Guido-Knopp-Dokus gesehen hätte.... (lacht).
 
Wann genau entstand das Bedürfnis darüber zu schreiben?
Als wir 2010 für drei Jahre wegen des Jobs meines Mannes nach Thessaloniki gingen, habe ich mir vorgenommen, die berufliche Auszeit zu nutzen und zu versuchen, etwas eigenes zu schreiben - also keine "Auftragsarbeiten" wie als Redakteurin oder Redenschreiberin. Nur herausgekommen ist etwas völlig anderes als geplant: Ich wollte nämlich eigentlich eine Art Politsatire schreiben und meine Erfahrungen in unterschiedlich besetzten "Leitungs- und Planungsstäben" zu Papier bringen. Vielleicht kommt das ja noch, jedenfalls hat sich da einiges angesammelt.....
Aber dann ist es eben anders gekommen. Ich hatte urplötzlich das dringende Bedürfnis, über meinen Vater zu schreiben. Und sobald ich angefangen hatte, wurde daraus der Selbstläufer, den ich vorhin zu erklären versucht habe. Es musste einfach aufs Papier. Und alles andere wurde erst mal beiseitegelegt.
 
Arnsberg ist deine Heimatstadt. Du lebst im Moment in Griechenland und ab den Sommer 2013 in Berlin. Wie fühlt es sich an, vor so vielen, aus der Vergangenheit vertrauten Personen, ein Stück Deines Lebens weiterzugeben?
Ich habe in Thessaloniki schon zwei Lesungen gehalten, aber ich bin heute schon ziemlich aufgeregt, eben wegen der vielen vertrauten Gesichter. Es ist ja schon komisch, wenn man Jahre später z. Bsp. vor der ehemaligen Geschichtslehrerin sitzt und aus dem eigenen Roman vorliest. Natürlich gibt man viel von sich preis, öffnet sich gewissermaßen, wenn man aus einem Roman vorliest, der einen wahren Kern hat. Es stecken ja auch sehr viel Leid und Schmerz und tiefe Emotionen in der Geschichte. Das macht dann schon irgendwie verletzlich, das vor Publikum laut auszusprechen. Viele haben ja auch meinen Vater gut gekannt und werden nun einen Teil von ihm kennen lernen, der ihnen so nicht bekannt war. Es ist also schon etwas sehr Besonderes, hier, in meiner Heimatstadt, zu lesen.
 
Ist es eine Art Monument, das Du für Deinen Vater gebaut hast?
Nein, ein Monument ist es nicht. Eher ein schlichtes Holzkreuz mit einem Bild von ihm. Der junge Protagonist Joachim steht ja auch stellvertretend für zigtausende seiner Generation. Und es wäre besonders schön, wenn der Roman auch ein wenig zeitlos wäre... Ich meine damit, dass es ja leider immer noch und überall wieder geschieht, dass die Massen auf vermeintlich einfache Versprechungen hereinfallen, dass sinnlose Kriege geführt und Leid und Schrecken verbreitet werden. Wenn es mir gelungen ist, auch das darzustellen, die Sinnlosigkeit des Krieges und seine Folgen für die Menschen, wäre ich darüber sehr glücklich.
Möchtest Du uns von Deinen weiteren Schreibplänen erzählen?
Nur so viel: ich arbeite an der Geschichte dreier Geschwister, die sehr früh Waisen werden und in den fünfziger und sechziger Jahren im erzkatholischen Sauerland aufwachsen. Die drei werden, nachdem auch die Mutter gestorben ist, im wahrsten Sinne auf die Verwandten "verteilt" und haben ganz unterschiedliche Startchancen. Ich fand es interessant zu sehen, ob und wie sie diese Chancen nutzen. Am Ende kommt einiges anders, als man am Anfang gedacht hätte. Auch als ich gedacht hätte...
Aber ich will nicht zu viel verraten, schließlich würde ich daraus dann lesen wollen.(lacht.)

Biografische Angaben zu Katrin Liebelt:
- 25.03.1967 in Arnsberg, Sauerland, geboren, dort 1986 Abitur
- Ausbildung beim Auswärtigen Amt (1986-89), im Anschluss Studium in Berlin und Bonn (Geschichte, PolWiss und Anglistik), 1994 abgeschlossen mit dem    Magister
- längere Auslandsaufenthalte in Kanada, Israel, Vietnam, Uruguay, seit 2010 Griechenland
- nach dem Studium Redakteurin bei verschiedenen Medien aus dem Bereich Gesundheits- und Sozialpolitik
- seit 2003 Redenschreiberin, zunächst im Bundesgesundheitsministerium, zurzeit im Bundesmin. für Arbeit und Soziales
- verheiratet, vier Töchter im Alter von 8 bis 17 Jahren
- Hobbies: Lesen, Schwimmen, Skifahren, Reisen
- Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch, etwas Neugriechisch

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Die Rezension bezieht sich auf ,,Im Norden ein Licht,,(gebundene Ausgabe)
Die Chance, an etwas so Großem teilzuhaben, sei nicht jeder Generation vergönnt.“
Ich denke mit diesem Satz hat die Autorin genau auf dem Punkt getroffen und eine Antwort auf das „hinterher laufen“ und das „bedingungsloses Dienen“ der Deutschen vor und während des 2. Weltkrieges geliefert.
 
„Die Chance“ hat die Autorin selbst genutzt (Jahre Später) und (wohl auch aus) ihre eigene Familien-Geschichte geschöpft. Die Menschen die im Krieg „Krieg“ führen, haben Namen, Gefühle und Träume - Welch ein Wunder! - Manche sind sogar Verwand mit dir, mit mir … Mutig und Entschlossen, hier zeigen sich die „Guten“ und die „Bösen“ Taten, doch das Wissen und die Urteile kann man immer „danach“ zu Recht weisen.
 
Das Aufräumen mit der eigenen Geschichte, die Geschichte des eigenen Landes, die Geschichte der eigenen Vorfahren und Verwanden, ist immer eine Verfilmung wert.
Ich warte auf die Bilder in der Kinowelt, wenn das Licht im Norden über die Bühne aufgeht.

Alle Bücher von Katrin Liebelt auf einen Blick.
Hier die Neuerscheinungen und die besten Bücher.

www.meinebuchempfehlung.de

Interview von Helena Katsiavara

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