China: Europäische Überwachungstechnologie kann zu Menschenrechtsverletzungen beitragen

amnesty logoEin neuer Amnesty-Bericht dokumentiert die folgenreichen Lücken der EU-Exportkontrolle beim Handel mit militärisch oder zivil nutzbaren sogenannten Dual-Use-Gütern. Amnesty International fordert die EU auf, im Zuge der aktuellen Reform einen besseren Menschenrechtsschutz herbeizuführen.

Den Bericht finden Sie hier.

BERLIN, 21.09.2020 – Europäische Unternehmen verkaufen Gesichtserkennungs- und andere Überwachungstechnologie nach China – ohne jede staatliche Exportkontrolle. Damit riskieren sie, dass diese dort zu schweren Menschenrechtsverletzungen beiträgt. Das deckt der neue Amnesty-Bericht „Out of Control: Failing EU laws for digital surveillance export“ auf. Die Recherchen werden vor einem Treffen am 22. September in Brüssel veröffentlicht, bei dem das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten darüber verhandeln, ob Überwachungsexporte künftig stärker reguliert werden.
 
Der Amnesty-Bericht weist am Beispiel von drei Unternehmen mit Sitz in Frankreich, Schweden und den Niederlanden den Verkauf von Überwachungstechnologie direkt an Verantwortliche im chinesischen Massenüberwachungsapparat und an staatliche Institutionen in der chinesischen Region Xinjiang nach, darunter Software zur Gesichts-, Verhaltens- und Emotionserkennung. China setzt biometrische Massenüberwachung landesweit sowie als Baustein umfassender Unterdrückung der Uigurinnen und Uiguren sowie anderer ethnischer Gruppen ein.
 
"Wir veröffentlichen die Ergebnisse einer Stichprobe, die nur die Spitze des Eisberges sein dürfte. Es ist skandalös, dass solche Überwachungstechnologien in der EU bisher nicht einmal einer Exportgenehmigung bedürfen und Risiken für Menschenrechte bei ihrem Verkauf keine Rolle spielen", sagt Lena Rohrbach, Expertin für Wirtschaft und Technologie bei Amnesty International in Deutschland.

"Daher sollte die Chance genutzt werden, solche Güter bei der laufenden Reform der EU-Dual-Use-Exportkontrollen einzubeziehen. In den Verhandlungen dazu gab es zuletzt aber dramatische Rückschritte. Wir sind sehr besorgt, dass Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten zwar in Lippenbekenntnissen die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang verurteilen, gleichzeitig aber Reformvorschläge blockieren. Damit können in Europa ansässige Firmen weiterhin unkontrolliert genau die Technologie liefern, die für diese Menschenrechtsverletzungen benötigt wird", so Rohrbach.
 
Die Dual-Use-Verordnung der EU reguliert den Export von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, die für militärische und zivile Zwecke verwendet werden können. Dazu gehört auch Überwachungstechnologie. Sie wird derzeit neu verhandelt. Amnesty fordert die EU auf, alle Überwachungstechnologien in die Exportregulierung aufzunehmen und zusätzlich sicherzustellen, dass alle Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten – darunter eine menschenrechtliche Risikoabschätzung möglicher Verkäufe – einhalten, bevor sie einen Exportantrag stellen. Regierungen dürfen Exportanträge nicht genehmigen, wenn ein signifikantes Risiko besteht, dass sie im Empfängerland zu Menschenrechtsverletzungen beitragen.
 
Bereits im Jahr 2016 legte die EU-Kommission umfassende Verbesserungsvorschläge vor, die Amnesty International begrüßte. Die meisten EU-Mitgliedsstaaten, darunter Frankreich und Schweden, blockieren seitdem Vorschläge, besseren Menschenrechtsschutz in der Verordnung zu verankern. Deutschland, das seit dem 1. Juli die EU-Präsidentschaft innehat und daher die gegenwärtigen Verhandlungen der Mitgliedsstaaten koordiniert, sowie die Niederlande legten beide Vorschläge zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes vor. Sie konnten sich auf EU-Ebene damit bisher jedoch nicht durchsetzen.

"Die Bundesregierung hat die Chance während ihrer EU-Ratspräsidentschaft zur Stärkung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und Meinungsfreiheit beizutragen, indem sie sich bei den EU-Mitgliedsstaaten für eine wirksame menschenrechtskonforme Exportkontrolle für Dual-Use-Technik einsetzt", erklärt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland.
 
"Es darf keinen Freibrief für europäische Firmen geben, weltweit die Technologie auszuliefern, mit der Medienschaffende sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger zunehmend überwacht, diskreditiert und verfolgt werden. Die EU sollte sicherstellen, dass wirksame Regulierung und Kontrollen es erschweren, dass europäische Technologie von autoritären Regierungen gegen unliebsame Zivilgesellschaft eingesetzt wird. Sonst sind Solidaritätsadressen für verfolgte Journalisten und Journalistinnen, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Oppositionspolitiker und -politikerinnen, ob in Belarus, der Türkei, Russland oder Hongkong, wenig mehr als Worthülsen", so Beeko.

Beispielfälle

Amnestys Recherchen belegen die Verkäufe von biometrischer Überwachungstechnologie an Chinas staatliche Sicherheitsbehörden ebenso wie an Einrichtungen in der Region Xinjiang. Eine vollständige Auflistung findet sich im neuen Amnesty-Bericht „Out of Control“. Folgend eine Auswahl wichtiger Transaktionen:
 

  • Morpho (jetzt Idemia), ein französischer multinationaler Konzern, erhielt 2015 einen Vertrag, um Gesichtserkennungstechnologie direkt an das Shanghai Public Security Bureau zu liefern.
  • Axis Communications aus Schweden exportierte mindestens von 2012 bis 2020 und wirbt sogar auf seiner Website mit seinen Verkäufen nach China. Axis wurde zwischen 2012 und 2019 als "empfohlene Marke" in chinesischen Ausschreibungsunterlagen für staatliche Überwachung gelistet. Nach eigener Aussage half es bei der Erweiterung des Massenüberwachungsnetzwerks "Skynet" allein innerhalb eines Jahres um etwa 22.000 Kameras mit einem 360-Grad-Rundumblick und einer Reichweite von 300 bis 400 Metern. Zusätzlich trug es zum Massenüberwachungsprogramm "SharpEyes" bei, war Teil der städtischen Überwachungsprojekte in Shanghai und an einer "Verbrechensbekämpfungskampagne" beteiligt, bei der Massenüberwachung im öffentlichen Raum und Verhaltensanalysen von Passant_innen durchgeführt wurden.
  • Noldus Information Technology aus den Niederlanden verkaufte mindestens zwischen 2012 und 2018 Emotionserkennungsysteme an Institutionen, die mit den öffentlichen Sicherheits- und Polizeibehörden in China zusammenarbeiten. Ihr Produkt FaceReader soll Gesichtsausdrücke wie Wut, Glück, Traurigkeit, Überraschung oder Ekel erkennen. Dabei wurden bis Juli 2019 auch ethnische Merkmale einbezogen, die das Unternehmen seitdem deaktiviert hat. Noldus' Überwachungssystem "The Observer XT" wurde in mindestens zwei Fällen in die Region Xinjiang verkauft, darunter an die Shihezi Universität unter der Verwaltung des Xinjiang Production and Construction Corps (XPCC). XPCC erfüllt nach staatlichen Angaben eine Rolle "bei der Sicherstellung der Einheit des Staates, der sozialen Stabilität von Xinjiang und der Unterdrückung gewalttätiger terroristischer Verbrechen". Der Verkauf erfolgte im Jahr 2012, als bereits bekannt war, dass die chinesische Regierung die kulturelle und religiöse Praxis der Uigurinnen und Uiguren routinemäßig mit Terrorismus in Verbindung bringt. Der jüngste Verkauf nach Xinjiang erfolgte 2018 an eine weitere Universität der Region.

    Quelle: www.amnesty.de
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