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Pegasus-Enthüllungen: Amnesty International fordert überfällige Regulierung von Spähsoftware

amnesty logoEin Jahr nach den Enthüllungen zu massenhafter illegaler Überwachung von Mobiltelefonen durch Regierungen gibt es nach wie vor kein weltweites Moratorium für den Verkauf von Spionagesoftware. Dies lässt der Überwachungsindustrie und Regierungen freie Hand für anhaltende Menschenrechtsverletzungen, warnt Amnesty International. Die Organisation fordert einen Stopp des Handels und des Einsatzes von Spähsoftware, bis ihre Verwendung international reguliert wird. Die Bundesregierung muss den Einsatz von Pegasus transparent aufarbeiten.

BERLIN, 15.07.2022 – Seit der Veröffentlichung im vergangenen Jahr werden jeden Monat weitere Fälle bestätigt, in denen Personen mit der Software Pegasus ins Visier genommen wurden. Dennoch haben Regierungen versäumt, angemessen auf die Enthüllungen zu reagieren.

Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagt: „Ein Jahr nach den Enthüllungen des Pegasus-Projekts steht fest: die Staatengemeinschaft hat bislang versagt, den illegalen Einsatz von Spähsoftware zu unterbinden und Menschenrechtsverteidiger*innen und bedrohte Journalist*innen weltweit zu schützen. Das ist ein Armutszeugnis. Im vergangenen Jahr hat das Amnesty Security Lab immer wieder weitere Fälle von rechtswidriger Überwachung mit invasiven digitalen Spähprogrammen aufgedeckt. Die Behauptung von Spähsoftwareanbietern, ihre Programme kämen ausschließlich zur Bekämpfung von Terror und organisierter Kriminalität zum Einsatz, ist vielfach widerlegt. Das Ausspionieren, Einschüchtern und Unterdrücken von unabhängigen Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen oder Anwält*innen mithilfe von Spähprogrammen wie Pegasus findet tausendfach und weltweit statt: die Repression der Zivilgesellschaft durch Spähsoftware hat System und ist ein weltweites Geschäft.“

Staaten sind gemäß dem Völkerrecht verpflichtet, nicht nur die Menschenrechte zu achten, sondern auch Menschenrechtsverstöße durch Dritte – einschließlich Privatunternehmen – zu verhindern.

„Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zu strenger Regulierung von Überwachungssoftware und Quellen-Telekommunikationsüberwachung verpflichtet, wie auch ausdrücklich gegen die Weitergabe von Überwachungstechnologien an repressive Regime ausgesprochen. Nun gilt es diesen Bekenntnissen auch Taten folgen zu lassen: Dazu gehört die aktive Unterstützung für ein weltweites Moratorium des Handels mit Überwachungssoftware wie auch die transparente Aufarbeitung des Einsatzes von Pegasus-Varianten durch deutsche Behörden. Für die Zukunft braucht es verbindliche, rechtstaatlich abgesicherte Regeln – sowohl für den Erwerb von Spähsoftware, als auch für ihren Einsatz. Es darf nicht sein, dass der Staat Sicherheitslücken nicht beseitigt und für diese sogar bezahlt, so dass digitale Endgeräte und digitale Infrastruktur gefährdet werden. Es darf auch nicht sein, dass Steuergelder an Unternehmen wie die NSO Group fließen, die für systematische Menschenrechtsverletzungen weltweit verantwortlich sind und ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten eklatant und mutwillig verletzen“, fordert Markus N. Beeko.

Hintergrund

Das Pegasus-Projekt ist ein gemeinsames Rechercheprojekt der Medienorganisation Forbidden Stories und Amnesty International, an dem sich Journalist*innen aus 17 Medienorganisationen in zehn verschiedenen Ländern beteiligten. Das Security Lab von Amnesty International bestätigte anhand modernster forensischer Untersuchungen und Recherchemethoden vorliegende Nachweise darüber, dass weltweit zahlreiche Mobiltelefone mit der Spionagesoftware Pegasus infiziert wurden.

Im vergangenen Jahr deckte das Security Lab vielfache Angriffe auf, bei denen etwa Endgeräte in Marokko und der Westsahara sowie in Polen ins Visier der Überwachungssoftware gerieten. Darüber hinaus bestätigte das Security Lab zahlreiche weitere Fälle, in denen Pegasus nach wie vor zur rechtswidrigen Überwachung eingesetzt wurde, unter anderem in El Salvador, in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten, in Polen und Spanien.

Das rechtswidrige Ausspähen verstößt nicht nur gegen das Recht auf Privatsphäre und gegen die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung. Unabhängige Journalist*innen und friedliche Menschenrechtsaktivist*innen werden so vielfach kriminalisiert, inhaftiert und getötet.

Quelle: www.amnesty.de