Geben und Nehmen im Viertel - Der Give-Room im Görlinger Zentrum
Köln-Bocklemünd. Das Görlinger Zentrum gilt als einer der „sozialen Brennpunkte“ der Domstadt und sorgt hin und wieder für neue Schlagzeilen über Gewalt und Drogen. Wir sind auf der Suche nach lebendigen Gemeinschaften - jenseits der Katastrophen. Oftmals leise und beständig, gibt es viele Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihre Mitmenschen zu unterstützen. Ein Beispiel dafür ist das Bürgerschaftshaus Bocklemünd-Mengenich e.V. im Görlinger Zentrum. Hier gibt es neben einem Jugendzentrum, Sport-Angeboten, der Kindertagesstätte, der Bibliothek und dem Café, einen Give-Room.
Das Besondere an diesem Projekt ist: Nachbarn können hier Dinge, die gut erhalten sind, abgeben und andere können sie abholen, ohne dafür etwas zu bezahlen. Wie die Idee zum Give-Room entstand und was uns dort erwartet, verrät die Geschäftsführerin des Bürgerschaftshauses Dr. Stephanie Bohn und ihre ehrenamtliche Mitarbeiterin Elke Geloso im Gespräch mit der Köln-insight.tv-Redakteurin Regina Nußbaum vor Ort.
Regina Nußbaum: „Wie ist dieses Projekt entstanden?“
Dr. Stephanie Bohn: „Wir haben mit einer klassischen Give-Box angefangen, einem fahrbaren Schrank in unserem Café. In der Corona-Zeit durften wir die Give-Box nicht öffnen, weil alles desinfiziert werden musste, was man angefasst hat. Deshalb haben wir sie in diesem Zeitraum still gelegt. Da der Bedarf sehr groß ist, haben wir uns nach den Lockerungen im Sommer entschlossen aus der Give-Box einen Give-Room zu machen, in dem deutlich mehr angeboten werden kann. Viele Leute haben schon Sachen abgegeben und wir suchten jemanden, der uns ehrenamtlich begleiten will und uns unterstützt, um die Sachen anzunehmen, zu sortieren und da zu sein, wenn jemand etwas braucht.
Dann kam genau zum richtigen Zeitpunkt Elke Geloso als ehrenamtliche Helferin in unser Team. Wir haben angefangen mit einer großen T-Shirt-Spende mit neuen T-Shirts. Mittlerweile gibt es Kleidung für Kinder und Erwachsene, Haushaltsgegenstände, Spielzeug, Bücher, CD´s, und Mobiliar, das noch gut erhalten ist. Eine Kollegin hat ihr Brautkleid gespendet. Frisch gereinigt wartet es nun auf den nächsten Einsatz. Das Konzept fördert Nachhaltigkeit und schont Ressourcen. Die Nachbarschaft wird gestärkt und es erschafft ein neues Bewusstsein jenseits von klassischem Konsum und Besitz.“
Regina Nußbaum: „Wie wird das Angebot angenommen?“
Dr. Stephanie Bohn: „Es gibt ein großes Interesse. Wir wurden in Corona-Zeiten gefragt, wann wir wieder aufmachen? Und jetzt wollen wir den Zugang immer mehr erleichtern, damit die Besucher, sich hier umschauen können, um etwas abzugeben oder mitzunehmen. Der bisherige Raum ist schon wieder fast zu klein, denn es gibt hier eine hohe Spendenbereitschaft.“
Regina Nußbaum: „Welche Menschen kommen besonders gern hier her?“
Dr. Stephanie Bohn: „Es ist ein großer Querschnitt. Manchmal sind es die Menschen, die wirklich einen Bedarf hatten. Wir hatten beide einen jungen Mann im Give-Room, der keine Winterjacke hatte und hier eine gefunden hat. Aber wir haben auch Nachbarn, die gerne stöbern. Die Besucher unserer Bibliothek kommen hier auch gerne herunter und schauen sich die Sachen an. Auch, wenn wir hier mit dem Give-Room erst am Anfang stehen, hoffen wir durch Multiplikatoren mehr Aufmerksamkeit für dieses Nachbarschafts-Projekt zu erzielen.“
Regina Nußbaum: „Wie wird das Ganze finanziert?“
Dr. Stephanie Bohn: „Der Give-Room ist ein Projekt, das von ehrenamtlich engagierten Menschen getragen wird.“
Regina Nußbaum: „Wie sehen Sie das Image des Görlinger Zentrums?“
Dr. Stephanie Bohn: „Der Ruf ist schlechter, als es wirklich ist. Es gibt einen großen Zusammenhalt und vielfältige Angebote. Es gibt viel Grün hier und die Seen in der Nähe. Es ist ein buntes Viertel. Ich finde es schade, dass meistens über das Görlinger Zentrum negativ berichtet wird. Mein Anliegen ist es, einen Gegenpol dazu zu setzen. Hier passieren viele tolle Dinge. Ja, hier wohnen viele Menschen aus unterschiedlichen Nationen. Dass es da hin und wieder zu Reibereien kommen kann, ist klar.“
Regina Nußbaum: „Wie ist Ihre persönliche Motivation, hier als Geschäftsführerin tätig zu sein?“
Dr. Stephanie Bohn: „Ich bin Diplom-Pädagogin für Erwachsenenbildung und Wirtschaftswissenschaften. Es gab unterschiedliche Stationen meiner beruflichen Laufbahn in der Erwachsenenbildung, Übergang Schule-Beruf und Arbeit mit Langzeitarbeitslosen. Vor einigen Jahren arbeitete ich in Ossendorf und hatte Jugendliche aus dem Görlinger Zentrum. Als die Leitungsstelle im Bürgerschaftshaus ausgeschrieben wurde, war das für mich die ideale Position mit den Elementen Beratung, Jugend-Arbeit und Kultur. Eine abwechslungsreiche Tätigkeit, die ich sehr gerne mache.“
Regina Nußbaum: „Frau Geloso, Sie sind hier als ehrenamtliche Helferin im Einsatz. Wie kam es dazu?“
Elke Geloso: „Ich bin gelernte Bankkauffrau und habe lange in diesem Beruf gearbeitet. Als ich Mutter von zwei Söhnen wurde, machte ich mich selbständig mit einem Bistro in der Innenstadt. Nach vier Jahren habe ich das Bistro aufgegeben und danach in unterschiedlichen Branchen gearbeitet. Seit letztem Jahr arbeite ich in der Ambulanz in einem Krankenhaus. Ich komme um 14 Uhr nach Hause und habe dann noch Zeit. Mein Wunsch, ein soziales Projekt im Bürgerschaftshaus zu unterstützen, hat sich erfüllt: Hier bin ich. Ich mag die lebendige Gemeinschaft bei uns.“
Regina Nußbaum: „Vielen Dank für das Gespräch!“
Öffnungszeiten: Donnerstags von 11 bis 13 Uhr und von 16.30 bis 17.30 Uhr und nach Vereinbarung.
Kontakt:
Bürgerschaftshaus Bocklemünd/Mengenich e.V.
Geschäftsführerin Dr. Stephanie Bohn
Görlinger Zentrum 15
50829 Köln
Telefon: 0221/501017
Text + Foto: Regina Nußbaum / Abbildung: Elke Geloso und Dr. Stephanie Bohn im Give-Room © Regina Nußbaum
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