Olga Jakob - ma - | Einzelausstellung in der GALERIE ALBER
Die Entfaltung des Raums
Woraus besteht das Leben? - Kunst stellt sich dieser Frage auf vielfältige Weise, zumeist in Form allegorischer Betrachtungen. Dabei merkte Olga Jakob früh in ihrem künstlerischen Werdegang, dass sie etwas zu der Substanz, dem Stofflichen der Welt zieht.
So mag es beim ersten Anblick ihrer, deutlich auf Materialität basierenden Arbeiten erstaunen, dass sie ihr Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe in der Malereiklasse von Helmut Dorner beendete. Doch ebnet dieses Staunen zugleich den Zugang zu Olga Jakobs Werk. Führt es doch zu einer Idee der Kunst, die undogmatisch ihre eigenen Grundlagen untersucht. Als der italienische Pionier der Hochmoderne, Lucio Fontana, 1958 erstmals eine, lediglich durch einen Schnitt mit einem Messer bearbeitete Leinwand zeigte, blieb es unklar, ob der Malgrund nun zur Plastik geworden war. Der malerische Effekt seiner Arbeit ist unmittelbar, zugleich öffnet er die Fläche der dritten Dimension, fragend: Was ist dahinter? Schnitte
Elementarer Forschergeist scheint auch grundlegender Anlass jener Werke Olga Jakobs, in denen sie das Material (mitunter kaum weniger archaisch als Fontana) reduziert. Erstaunt blickt man auf die feinen Strukturen, welche sich aber nicht in ihrer grafischen Präsenz allein erschließen. "Dass man durch das Wegnehmen etwas fokussieren kann", so beschreibt sie eine der wortwörtlichen Einsichten ihrer Technik. Was sie fokussiert, sind Verknüpfungen, im groben, netzartigen Stoffmaterial. Wir erleben komplexe, zugleich nicht perfekte Systeme, nun weniger maschinell als denn organisch geformt. Hinter dem Material: der Raum oder eine weitere zarte Schicht. Sind Fläche und Raum also durch eine zarte Membran voneinander getrennt?
Reliefs
Als Kind beobachtete Olga Jakob ihre Mutter, die ehemalige Kostümbildnerin eines Kiewer Puppentheaters, beim Schneidern von Kleidung und erlebte den Prozess, wie aus der Fläche eine dritte Dimension geformt wird. Infolge dieser Erfahrung fand sie zu Strukturen, die ebenfalls trennenden Einschnitten erwachsen. In einer Abwandlung des Zuschneidens, wird Stoff zerteilt und dann auf eine Weise zusammengenäht, dass nach innen und außen deutliche Steppnähte entstehen. In einen Rahmen gespannt, ergeben sie die Textur, aus welcher mittels einer zarten Schicht aus aufmontierter Packseide eine stille Landschaft entsteht. Kein Foto kann diese subtile und doch sehr lebhafte Struktur angemessen abbilden, auf welcher Licht und Schatten stets neue Formenspiele zeichnen. Diese Reliefbilder lassen an die geformten Leinwände Michel Mouffes denken und bezeichnen doch einen diametral anderen Ansatz. Wo der Belgier hohe Spannung erzeugt und exakt planen muss, entstehen Olga Jakobs Reliefs in der Zartheit des Umgangs mit dem Seidenpapier. Die schlichte Eleganz seiner opaken Oberfläche wird vom frankenstein-narbenhaft zugeschnittenen Stoff der Rückseite kontrastiert, doch das Eine kann nicht ohne das Andere. So beantworten diese Reliefs die Frage nach dem Raum nicht allein, indem sie ihn einfordern, sondern auch, durch die Aktivierung beider Seiten des Bilds.
Schichtungen
Als subtile Akzentuierung Jakobs' kommunikativer Kunst, erscheint bei genauer Betrachtung, hier und da, die Grundsubstanz der Packseide, recyceltes Zeitungspapier, in Form kleiner Buchstabenfragmente, gleich archäologischen Funden oder Funksignalen im Weltraum. Dichter wird dieses Zeichenaufkommen, wo bedrucktes Papier schattengleich hinter Jakobs Schnittbildern die zerfaserten Strukturen füllt.
Die Schichten sowie das Zusammenspiel scheinbarer Antagonisten, wie Subtilität und Forcierung oder Akkuratesse und Zerfaserung, lassen an die japanische Avantgardemode denken, welche ab den späten 70ern die Idee der Couture auf den Kopf stellte. Issey Miyake, Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto als künstlerische Vorbilder Olga Jakobs zu sehen ist keinesfalls überinterpretierend. Sich bar eines Rahmens von der Wand herab wölbende Werke aus festem Kunstleder betonen vielmehr den Bezug zur Kunst der Formgebung eines Schneiders.
Dynamik
Im dynamischen Fallen des Materials hier, wie auch im möglichen Wandel der Farblichkeit der Packseide ihrer Reliefbilder, ja ebenso in den losen Fäden der Schnittarbeiten, erkennt man einen steten Bezug zum Prozesshaften - selbst ohne Kenntnis der materialabtragenden Tanzperformances, die Olga Jakob zusammen mit Miriam Rose Gronwald erarbeitete. Vielleicht erscheinen Performances auch eher gleich eines Zeitraffers jener Einsichten, die Jakobs Kunst ermöglicht. Sie benennt diese im Titel ihrer ersten Ausstellung in der GALERIE ALBER: „- ma -“ ein japanisches Konzept, das den Raum zwischen zwei Objekten bezeichnet, zugleich aber auch die elementare Leere meint, welche Gegensätze und Spannungsfelder transzendiert. Hier finden wir Olga Jakobs Werk, als Exploration der dünnen Membran, die uns vom Nichts trennt.
Text: Oliver Tepel
Ausstellungsdauer: 28. Januar bis 20. März 2022
Galerie Alber GmbH
Am Römerturm 15
50667 Köln
Abbildung: Cerastium | 2021 | Bedrucktes Papier und Polyester | 70 cm x 60 cm | Courtesy GALERIE ALBER
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