PROBLEME BEI MÜLHEIM 2020 - STADTSPITZE WILL SPAREN UND 2011 GLEICHZEITIG VOLLGAS GEBEN

m__lheimer_hafen_192_0Kölner Stadtanzeiger vom 16. Dezember 2010

40 Millionen Euro warten auf Abnehmer
Stadt schafft es nicht, die Möglichkeiten eines Förderprogramms der Europäischen Union zu nutzen

VON HELMUT FRANGENBERG


Fast 40 Millionen Euro liegen für sinnvolle Projekte zur Entwicklung eines benachteiligten Bereichs der Stadt bereit - eine gewaltige Summe in Zeiten knapper Kassen. Doch die Stadtverwaltung scheint bislang nicht in der Lage, das Geld zu nutzen. Weil die Mittel aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (Efre) nur in einem begrenzten zeitlichen Rahmen zur Verfügung stehen, drohen sie teilweise zu verfallen. Unter dem Titel "Mülheim 2020" sollen soziale, bildungspolitische und stadtgestalterische Projekte umgesetzt werden, die zur Bekämpfung von Not und Arbeitslosigkeit sowie zur Verbesserung der Chancen von Jugendlichen beitragen. Erstmals sollte dafür eine große Summe aus den Töpfen der EU nach Köln fließen - und nicht wie gewohnt ins Ruhrgebiet.

Schon 2008 war weitgehend klar, was mit dem Geld gemacht werden sollte, im Mai 2009 stimmte der Stadtrat einem "integrierten Handlungskonzept"
zu. Aber erst jetzt wird das erste von fast 40 Einzelprojekten - eine Qualifizierung von "Stadtteilmüttern" - ausgeschrieben. Die meisten Projekte hätten seit Monaten laufen sollen, doch statt Tatkraft herrscht "Bewegungsunfähigkeit", wie eine hohe Verwaltungsmitarbeiterin sagt.
Eine durch Sparpolitik geschwächte Stadtverwaltung befinde sich am Ende ihrer Leistungsfähigkeit, meint ein Kollege.

Bis Ende 2013 müssten alle Projekte und Baumaßnahmen nicht nur abgeschlossen, sondern sogar abgerechnet sein. Zurzeit versucht die Stadtverwaltung eine Fristverlängerung bis 2014 zu erwirken. Doch auch wenn das gelingt, scheint klar: "Es wird in allen Bereichen schwierig", wie eine Amtsleiterin sagt. Mögliche Projekte aus dem Bildungs- und Sozialbereich haben jetzt schon Schaden genommen. Selbst wenn eine Verlängerung genehmigt wird, werden Projekte, die über fünf Jahre finanziert worden wären, nur noch maximal dreieinhalb Jahre laufen können.

Seit Wochen herrscht Krisenstimmung in der Verwaltungsspitze. Die zuständige Lenkungsgruppe und ein eilig einberufenes Amtsleitertreffen vereinbarte Maßnahmen zur Schadensbegrenzung. Externe Spezialisten mussten trotz Haushaltsnot zugekauft werden, um sich durch das komplexe europäische Vergaberecht helfen zu lassen. Hier liege das Hauptproblem, sagt die zuständige Abteilungsleiterin im Amt für Stadtentwicklung, Brigitte Göttgens. Die beteiligten Ämter hätten "keine Vorstellung davon gehabt, wie kompliziert dieses Vergaberecht ist".

Überforderte Experten

Die Erkenntnis kam spät: Die externen Spezialisten hätte man bereits vor zwei Jahren beauftragen können, um im Bildungs- und Sozialbereich zu unterstützen. Im Baubereich müsste die Stadt solche Experten selber haben, denn hier sind öffentliche Ausschreibungen Standard. Doch auch hier läuft "Mülheim 2020" nicht. Die Verwaltung der viertgrößten Stadt Deutschlands hat Schwierigkeiten, die Anforderungen zu erfüllen, die die EU an jede Gemeinde Europas stellt.

"Man hätte den ganzen Prozess anders organisieren müssen", sagt ein Beteiligter. Die Steuerung hätte von Anfang an ämterübergreifend erfolgen müssen, um die "irren Eifersüchteleien" in den Griff zu bekommen und ein zügiges Arbeiten zu ermöglichen. "Mülheim 2020" sei ein Beispiel dafür, dass eine große Stadtverwaltung mit ihren normalen Arbeitsweisen nicht in der Lage ist, ein solches Großprojekt zu stemmen.
"Jeder versucht, die Verantwortung möglichst nicht zu tragen", beschreibt eine Amtsleiterin ein Grundproblem.

Stadtdirektor Guido Kahlen verweist auf die knappen Finanzen. "In Kenntnis der Nöte und Zwänge" habe man beschlossen, "Mülheim 2020" im Rahmen der üblichen Arbeit der Ämter abzuarbeiten. Mancher sieht Stadtdirektor Kahlen als Hauptschuldigen für die Probleme, auch weil er so streng auf die Erfüllung aller bürokratischen und rechtlichen Vorgaben achte. "Da sitzt ein Zweitausendprozentiger", meint eine städtische Führungskraft. "Der lässt uns in den Verfahren ersticken."
Kahlen weist die Kritik zurück: Köln müsse das Vergaberecht "sehr ernst nehmen" und "sehr vorsichtig" sein. Nach dem Messeskandal stehe man unter besonderer Beobachtung der Europäischen Kommission. "Wir müssen zeigen, dass wir massiv gelernt haben."

Der Mülheimer Bezirksamtsleiter Hans Oster, vor dessen Büro am heutigen Donnerstag Mülheimer Weihnachtsfrauen- und -männer protestieren wollen, appelliert, nicht nur zurückzuschauen und nach Schuldigen zu suchen.
"Der Rückblick bringt Mülheim nichts. Es geht jetzt darum, dass alle Projekte umgesetzt werden." Nicht jeder mag seinen Zweckoptimismus teilen.

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Kasten


Programm für Mülheim, Buchheim und Buchforst

Mülheim 2020 verbindet Bauprojekte zur Aufwertung des Umfelds mit Initiativen, die Beschäftigung fördern und Bildungsangebote machen. Zu den Starterprojekten gehören neben dem Qualifizierungsprogramm für Stadtteilmütter die "Mülheimer Job Factory" und die Förderung der Berufstätigkeit von Frauen.
Weitere Bildungsprojekte sind Sprachförderangebote in Kitas oder Maßnahmen zur Verbesserung des Übergangs von der Schule in den Beruf.
Projekte der Stadtplanung sollen die Ortszentren und einige Straßenzüge aufwerten.
Die EU fördert nicht alle Projekte. Sie müssen anders finanziert werden.
Dazu gehören zum Beispiel der bereits beschlossene Familienpark unter der Zoobrücke oder der Bau eines "Internationalen Geschäftshauses". (fra)

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KOMMENTAR
von Helmut Frangenberg
Köln lässt Fördertöpfe der EU ungenutzt

 

Keiner ist verantwortlich

Die Erkenntnis ist bitter: Die Verwaltung einer Großstadt, die im Wettbewerb der Metropolen mitmischen will, ist nicht in der Lage, effizient und professionell Gelder der EU zu nutzen. Kein Erklärungsversuch der Stadtspitze für die Verzögerungen bei "Mülheim 2020" ist wirklich überzeugend. Es bleibt das Bild von überforderten Verantwortlichen, die nicht nur an bürokratischen und rechtlichen Formalitäten scheitern. Sie sind noch nicht einmal in der Lage, rechtzeitig mit der eigenen Unzulänglichkeit umzugehen und sich Hilfe zu holen.

Es fehlte an einer ämterübergreifenden Projektsteuerung, die das typische Verhaltensmuster öffentlicher Verwaltung überwinden hätte
können: Anstatt Dinge möglich zu machen, werden alle Eventualitäten geprüft, die etwas unmöglich machen. Jeder ist vorsichtig, keiner verantwortlich. Die Probleme bei "Mülheim 2020" zeigen auch: Es ist falsch, eine Verwaltung mit aller Gewalt zusammenzusparen, ohne dafür zu sorgen, dass der Sachverstand erhalten bleibt. Das gilt auch für ein gutes Finanzmanagement, das Kölns neue Kämmerin versprochen hat. Gerade in Zeiten knapper Kassen kommt es darauf an, Fördertöpfe auszuschöpfen.

Köln kann nicht darüber klagen, dass die Kommunen in ihrer Not allein gelassen oder andere bevorzugt werden und gleichzeitig Millionen an Fördergeldern liegen lassen - aus reiner Unfähigkeit.

www.ksta.de

http://www.ksta.de/html/artikel/1288741426522.shtml

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