Geschrieben am . Veröffentlicht in Kunst und Kultur in Köln.

CITYLEAKS 2017 – ZEITGENÖSSISCHE KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM

cityleaks logo 2Am 24. September 2017 ging das vierte CityLeaks Urban Art Festival in Köln zu Ende. Im Zeitraum von über drei Wochen entstanden in der Kölner Innenstadt vier neue Murals. Zahlreiche Performances, temporäre Installationen und ein transdisziplinärer Diskurs der CityLeaks Akademie zu den Themen Urban Commons und Stadtgestaltung von unten boten Besucherinnen und Besuchern viele Möglichkeit zur praktischen wie theoretischen Teilnahme. Insgesamt wurden in über 40 Festivalprogrammpunkten in Kooperation mit zahlreichen Kulturakteur*innen Arbeiten von über 100 nationalen und internationalen Künstlerinnen und Künstler präsentiert. Ein großes Dankeschön gilt allen Künstler*innen, Förderern, Sponsoren, Kooperationspartner*innen und Helfer*innen, die zur Umsetzung des Festivals 2017 beigetragen haben.

Insbesondere die künstlerische und diskursive Auseinandersetzung des Festivals mit dem Kölner Ebertplatz bot den Festivalmacher*innen einen exponierten und reichhaltigen Nährboden, wissenschaftliche und angewandte Diskurse zu Themen Stadtgestaltung von unten und Raum als Commoning theoretisch und praktisch zu durchleuchten. Es kann nicht der Anspruch eines Urban Art Festivals sein, als isoliertes Kunstfestival zu agieren. Bürgerbeteiligung und Partizipation, wenn auch nur auf zeitlich begrenzter Basis, setzen voraus, dass die sozialen Vernetzungen sichtbar herausgestellt werden. „Der Ebertplatz als sozialer Raum hat uns in diesem Jahr ein überaus spannendes Feld geboten, in dem uns als Kulturmacher*innen vor allem die soziale Verantwortung unseres Handels bewusst wurde. So viele Gespräche mit Anwohner*innen und Passant*innen zu führen, haben wir so nicht erwartet. Wir sind vor Ort oft als ein soziales Projekt wahrgenommen worden, das eine Durchmischung des Ebertplatz-Publikums forciert. Die einladende Festivalarchitektur hat dabei eine entscheidende Rolle gespielt, indem sie auch abseits der Festivalzeit zugänglich war“, berichtet Iren Tonoian, Leiterin des biennalen Festivals. „Rassismus und Diskriminierung, Ausgrenzung, Unverständnis und Ungerechtigkeit gegenüber Sozialbenachteiligten– darunter Obdachlose, Migrant*innen, Drogenkonsument*innen, sind täglich auf dem größten innerstädtischen Platz Kölns spürbar. Trotzdem und vor allem aufgrund der architektonischen Aufwertung des Platzes mithilfe einer temporären Architektur ist es uns gelungen, großen Zuspruch und Vertrauen seitens der Anwohnerschaft, der Verwaltung aber auch der Ebertplatz-Nutzer aufzubauen.“

Auf Einladung von CityLeaks kreierte das Architekten-und-Design-Kollektiv ON/OFF aus Berlin ein Festival Center aus recyceltem Holz, das den Ebertplatz für drei Wochen zu einer Arena mit Bühne und unterschiedlichen Tribünen – zu einem Ort mit Aufenthaltsqualität – transformierte und auch abseits des Festivalprogramms
als Treffpunkt für Anwohner*innen und Besucher*innen agierte. Mit der Errichtung des Festival Centers auf dem Ebertplatz wurde ein Gesprächsraum eröffnet, um die verschiedenen sozialen Gruppierungen miteinander ins Gespräch zu bringen. Das Festival Center auf dem Ebertplatz war dabei eine gezielte Positionierung, um diesen vernachlässigten Raum für alle sichtbar und nutzbar zu machen und ihn nicht bloß seinem schlechten Image zu überlassen. „Wir knüpfen an die Arbeit der Ebertplatz Galerien an und zeigen mit der Kunst als Medium, die Möglichkeit auf, wie man mit nur wenigen Eingriffen und sozialer Verantwortung, Menschen, die einander nicht oder negativ wahrnehmen, zusammenbringt“, hebt Iren Tonoian hervor. So wurden während des Festivals auch zahlreiche öffentliche Essen ausgerichtet, bei denen sich die Nachbarschaft zusammenfand und miteinander ins Gespräch kam. Am Beispiel des eigenen Umgangs mit dem Platz, den daraus resultierenden Gesprächen und der Positionierung der temporären Architektur wurde deutlich, dass eine rein repressive Politik und Umgang mit dem Ebertplatz und seinen Nutzer*innen nicht zielführend sein kann. Ganzheitliche Konzepte sind gefragt, die bereits mit der Asylpolitik beginnen, umfassende Sozialraumkoordination und -betreuung benötigen und die weitere Arbeit von Polizei und Ordnungsamt begleiten. Nicht zuletzt müssen die weitere Entwicklung des Platzes und der Umgang mit der bestehenden Architektur nachbarschafts- und akteurverträglich sein. Die Herausforderung für die Stadt Köln, eine Lösung für die Situation zu finden, ist gleichzeitig die Chance, ein bürger- und platznahes Verfahren zu etablieren, welches den Umgang und zukünftige Entwicklung des Ebertplatzes im Sinne eines Platzes für alle ermöglicht.

Die ansässigen Galerien, gastronomischen Betriebe und der Copyshop wurden in das Festivalprogramm von CityLeaks integriert und auch in den Diskurs zur zukünftigen Gestaltung des Ebertplatzes einbezogen. Auch andere Partnergalerien ergänzten das umfangreiche Festivalprogramm. Insgesamt fanden 13 Einzel- und Gruppenausstellungen in ganz Köln statt.: u.a. in den Kunsträumen am Ebertplatz, bei CAT Cologne, Sightfenster und KAT 18, in den Galerien 30works, Die Kunstagentin, Galerie Koppelmann – Kunstwerk Nippes sowie gemeinsame Aktionen mit KING GEORG, freies rheinland e.V. – c /o Georg Dietzler, dem Orchester Da dafür,The PhotobookMuseum und der Affenfaust Galerie aus Hamburg.

MURALS UND IHR VERBLEIB IM STADTBILD

„Leider sind Teile der Verwaltung der Stadt Köln trotz großem Zuspruch seitens der Öffentlichkeit nicht mehr gewillt, die Straßen der Stadt auf Dauer gestaltet zu wissen“,erzählen die Festivalleiterinnen Margrit Miebach und Iren Tonoian. Die vier fertig gestellten Murals stehen für den Anspruch von CityLeaks, einen langfristigen Effekt auf die Gestaltung des Stadtraumes auf visueller Ebene zu haben. Diesem Anspruch stellt sich vor allem der Kunstbeirat der Stadt Köln entgegen, sodass das Festival sich gezwungen sah, das ehrenamtliche Engagement zu erweitern und Politik für den Verbleib der Murals zu mobilisieren. „Das ist eine Entwicklung, die uns als Festivalmacher*innen nicht erfreut und uns darüber nachdenken lässt, inwieweit eine fünfte Auflage des Festivals in Köln überhaupt Sinn macht. Ähnlich wie zahlreiche Kollegen aus dem Kultursektor erleben auch wir eine Nicht-Wertschätzung unserer Arbeit und wenig Respekt uns gegenüber, wenn das Kulturamt uns beispielsweise bittet, die Kosten zu eruieren, die notwendig wären, alle Cityleaks Bilder der letzten Jahre zu überstreichen. Dazu muss man wissen, dass das gleiche Amt seit 2011 das Festival fördert“, geben die Festivalleiterinnen Miebach und Tonoian zu bedenken.

Gespräche mit Festivalbesucher*innen und Passant*innen haben gezeigt, dass es sich bei den Murals immer noch um ein Aushängeschild für das Festival und im Allgemeinen auch für das Kölner Stadtbild handelt. „Die Wandgemälde fesselten auch in diesem Jahr wieder die Menschen. Wir freuen uns, dass wir das CityLeaks Festival und alle teilnehmenden Künstler nun schon zum vierten Mal tatkräftig unterstützen durften und hoffen, die Kunstwerke werden noch lange ihre Strahlkraft bewahren“, sagt Marco Sicconi vom Hauptsponsor, dem Farbenkonzern AkzoNobel.

Auch kurzfristige Interventionen im Stadtraum machen die Schwierigkeiten der Realisierbarkeit von Kunstaktionen im öffentlichen Raum sichtbar. In der Vorbereitung des Festivals und während der Durchführung haben damit gezeigt, wie viel bereits an künstlerischen Aktionen im Stadtraum möglich ist. „Trotzdem bestehen noch viele Hürden für kurzfristige, künstlerische Interventionen, die mit der Spontanität dieser Kunstrichtung nicht immer vereinbar sind“, bedauert der künstlerische Leiter des Festivals Georg Barringhaus, „so muss sich die Kunst auch immer wieder illegal Raum verschaffen, um im Stadtraum zu kommunizieren.“

Um die Street Art in Köln kennenzulernen, lädt der ausrichtende Verein artrmx e.V. auch nach Ablauf des Festivals ein, zahlreiche Führungen durch unterschiedliche Stadtteile in Köln zu besuchen. Auch Sonderführungen in deutscher und englischer Sprache können ganzjährlich gebucht werden. In Zusammenarbeit mit Köln- Tourismus hat artrmx e.V. in diesem Jahr die Urban Art Karte „Recover Discover“ herausgebracht, die Entdecker* innen auch auf eigene Faust ermöglicht, die Street Art in der Straßen Kölns aufzuspüren. Die Karte ist bei KölnTourismus gegenüber vom Hauptbahnhof erhältlich.

Verbleibende Termine bis Ende des Jahres:

Samstag, 18.11., 15h – Eigelstein Street Art Tour – Start: Eigelstein 10 / Turiner Straße (vor Maxi Markt)
Samstag, 02.12., 15h – Ehrenfeld Street Art Tour 2 – Start: Vogelsanger Straße 28 / Piusstraße
Termine ab April 2018 auf www.cityleaks-festival.de

DIE CITYLEAKS AKADEMIE – EIN TREFFPUNKT ALLER AKTEURE

Das CityLeaks Akademie fand dieses Jahr erstmalig statt. Ziel der Akademie war es, Laien, Expert*innen und Künstler*innen in Kontakt zu bringen und über die Urban Commons (Gemeingüter), Konsum und Stadtentwicklung zu diskutieren. Den Aufruf zur Partizipation haben viele Bürger*innen wahrgenommen und an Vorträgen sowie Workshops teilgenommen. Die Vorträge von beispielsweise Stavros Stavrides (Professor, Architekturschule der Nationalen Technischen Universität Athen) zu den Themenkomplexen Raum als Commons und Aneignung des öffentlichen Raumes konnten das Verständnis für die Schwierigkeiten der Stadtwahrnehmung und Stadtentwicklung aufzeigen. In den Fokus wurden die Aspekte von sozialen Geflechten im öffentlichen Raum, den Machtstrukturen und Handlungshorizonten der sozialen Akteure gerückt.

Neben diesen Beiträgen zum Verständnis von Raum als Gemeingut und dessen Bedingungen und Möglichkeiten, konnten auch konkrete Kölner Aktionen im Rahmen eines Workshops vereinbart werden, wie im Beispiel der Bahnbögenplanung mit Frau Regina Börschel, Jan Draxler (Wiener Gebietsbetreuung Stadterneuerung), Anne Luise Müller (Stadtplanungsamtschefin) und Bahnbögen Pächter Lutz Figge.

Künstlerische Interventionen, wie die Workshops „Retail Poisoning“ von Benjamin Gaulon zum Thema Konsumkritik und der zum urbanen Mobiliar des Künstler- und Architektenkollektivs ON/OFF, haben den Teilnehmer* innen die Verschränkung zeitgenössischer Kunst mit politischem Aktivismus aufzeigen können. „Urban Hacking und der Ansatz des Re- und Upcyclings zeigen auf, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, sich den städtischen Raum wieder anzueignen“, hebt Margrit Miebach hervor, die sich neben Georg Barringhaus und der Künstlerin Doris Frohnapfel für die Kuration der CityLeaks Akademie verantwortlich zeigt.

CityLeaks 2017 sollte vor allem zeigen, dass Stadtgestaltung und -entwicklung nicht über Dekoration funktioniert. Die Sichtbar- und Bewusstmachung des Stadtraumes funktioniert über Kommunikation und das Einbringen von Impulsen in die täglichen Erfahrungen der Bürger*innen.

FÖRDERER UND UNTERSTÜTZER

Das Festival möchte sich herzlich bei allen Künstler*innen, Partnerinnen, Sponsoren und Förderern bedanken, die das CityLeaks Urban Art Festival 2017 ermöglicht haben. CityLeaks wurde auch in seiner vierten Auflage vom Kulturamt der Stadt Köln sowie der RheinEnergieStiftung Kultur gefördert. Darüber hinaus erfuhr es eine Förderung der Stiftung KunstSalon sowie der Bezirksvertretungen Köln Innenstadt und Köln Nippes. Als langjährige und großzügige Partner begleiten das Festival der Hauptsponsor AkzoNobel sowie die Sponsoren GL Verleih NRW und Gaffel Kölsch. Als neue Sponsoren begrüßte CityLeaks Airbnb Germany, cambio Köln, Voelkel und Afri Cola. Nicht zuletzt möchte CityLeaks den Kölner Verkehrs-Betrieben sowie den Abfallwirtschaftsbetrieben für Ihre Unterstützung danken.

Medienpartner des Festivals waren in diesem Jahr der Kölner Stadt-Anzeiger, die Stadtrevue, KölnTourismus sowie Kölncampus und rausgegangen.de.

Die Schirmherrin des Festivals war zum dritten Mal Gabriele Hammelrath (SPD, MdL).