reiheM präsentiert "Jean-Claude Eloy – 45 Jahre elektronische Musik"

elroy„Shânti“ (aus dem Sanskrit, das „Frieden“ bedeutet) ist das klangliche Resultat eines langwierigen Prozesses des Experimentierens mit räumlichen und zeitlichen Dimensionen in Form einer Meditationsmusik. Ein zweistündiges Gleichnis für konkrete und elektronische Klänge, das hauptsächlich von der Philosophie Heraklits und von den Schriften über den Yogi Sri Aurobindo Ghoses inspiriert ist. „Shânti“ ist der spirituelle Frieden, der höchste Frieden, den die Yogis anstreben, aber auch der psychische und emotionale Frieden des Individuums. Es ist politischer Frieden und Frieden in der Natur und den physikalischen Elementen des Universums. Laut Eloy ist „Shânti“ darüber hinaus im heraklitischen Sinne (Kampf der Gegensätze) ein fortwährender Frieden, die ewige Suche nach dem schwer fassbaren Ziel, das manchmal erblickt und gelegentlich erreicht wird: der Schimmer der Ewigkeit. Musikalisch führt Eloy diese Komponenten zusammen und impliziert, dass die Suche nach dem dauerhaften Frieden nur im Klang zu suchen ist – in jeder der langen Sequenzen des Stücks als Form einer langsamen und permanenten Spirale ohne Limit...

So wie mit der Präsentation von „Shânti“ in der Alten Feuerwache in Hinsicht auf die Produktion von 1972 ein Köln-Zusammenhang zu attestieren ist, so führt bei „The Midnight Of The Faith“ ebenfalls ein thematischer Bezug zu dieser Stadt – wenngleich von ganz anderer Art. Das Stück entstand aus der Lektüre ausgewählter Texte von Edith Stein, Deutschlands bekannteste Karmelitin, mit Ordensnamen Schwester Benedicta a cruce, die 1933 in den Kölner Karmel Maria vom Frieden beigetreten ist. Als konvertierte Jüdin wurde sie 1942 von den Nationalsozialisten in Auschwitz-Birkenau ermordet. Doch „The Midnight Of The Faith“ ist keine Sprachkomposition über eine vielseitige, bewundernswerte Frau des vergangenen Jahrhunderts. Eloy zitiert lediglich einige Textstellen von Edith Stein um Worte von Licht, Tod, Freiheit und Gott, die von der Schauspielerin Gisela Claudius rezitiert werden und sich vereinzelt in eine massive und großartige Klanglandschaft voll von langgezogenen und dichten Klangmustern einfügen. Bemerkenswert ist dabei, wie der zum Zeitpunkt des Entstehens immerhin schon 77-jährige Jean-Claude Eloy hier mit den Entwicklungen zur Formung elektronischer Musik Schritt halten kann. Im Zuge der Konzipierung von „The Midnight Of The Faith“ entwarf er neue Module und eine spezielle Software, die er Metasynth nannte – das Stück wird live in oktophoner Qualität zu hören sein –, um dieses nächtliche Glaubensbekenntnis zu generieren, dessen durchaus entspannte Wirkung sich am günstigsten entfaltet, wenn man beim Zuhören die Augen verschließt. Eine Methode, die ja schon Karlheinz Stockhausen im Hinblick auf Eloys intensive Effektivität bei „Shânti“ nachdrücklich empfohlen hat.

Von „Shânti“ bis „The Midnight Of The Faith“ – das sind satte 45 Jahre, die Jean-Claude Eloy mit niemals versiegender Schaffenskraft der elektronischen Musik widmete.

Jean-Claude Eloy ist dabei immer eigene Wege gegangen, hat Visionen entwickelt und ein musikalisches Weltbild geschaffen, das sich mehr als deutlich von den Arbeiten all der zahlreichen Tonschöpfer aus dem französischsprachigen Raum abgrenzt, die ebenfalls vorrangig mit Elektronik komponieren. Wie kein anderer erweiterte Eloy die Komplexität abendländischen Musikdenkens konsequent in Richtung außereuropäischer Bräuche, durch die er sich von Musikern aus Indien, Tibet und Japan leiten ließ. Der Zusammenschluss dieser Elemente bildet das Zentrum fast all seiner Werke. Eloys Kompositionen wandern sozusagen wie imaginäre Rituale durch Regionen, die strikt von asiatischer Symbolik durchzogen sind. Die Beschäftigung damit und sein kompositorischer Werdegang dorthin reicht bis in die 1960er Jahre zurück, in denen Eloy als Boulez- und Stockhausen-Schüler sich zunächst auf serielle Kompositionsverfahren konzentrierte. Während eines USA-Aufenthalts wurde dann die Auseinandersetzung asiatischer Traditionen bewusster. Er erkannte in der Konfrontation mit vokaler Musik fremder Länder anhand von Sonogramm-Aufnahmen im Jahr 1972 die große Bedeutung der permanenten Tonhöhen- und Klangfarbenvariation in diesen Traditionen, wobei ihn japanische Gesangstechniken besonders faszinierten.

Mit den Mitteln der Elektronik operierte er bewusst im Geist eines von Karlheinz Stockhausen angewandten Optimismus, der Technologie als „synthetisierende Kraft“ begriff. Damit brach Eloy vollends zum Verdruss von Pierre Boulez mit der französisch-dominanten seriellen Ordnung und vertiefte sich vermehrt in eigenen Deutungen einer fundierten Musiksprache, die sich genauso wie bei Stockhausen mit der Vorliebe für extensive Längen und der Kombination von synthetischen und konkreten Klangmaterialien ausdrückte.

Die beiden abendfüllenden Konzerte in der Alten Feuerwache belegen dies auf eindringliche Weise.

Ergänzend zu den Konzerten, bei denen Eloy die Klangregie übernimmt, wird er bereits am Mittwoch, 23. Mai um 18 Uhr im Kinosaal der Alten Feuerwache mit Dr. Leopoldo Siano, Dozent am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Köln, über seine Arbeit sprechen: sowohl über die Produktionen in den großen Rundfunkstudios der 70er bis 90er Jahre als auch über die aktuellen aus seinem Homestudio. Eine Bilanz zur gegenwärtigen Situation elektronischer Musik, ihrer Perspektiven und der kritischen Haltung gegenüber bestimmten Aspekten abendländischen Musikdenkens.
(Eintritt frei)

Eine Veranstaltung mit freundlicher Unterstützung des Institut Français und in Kooperation mit ON –Neue Musik Köln.

reiheM präsentiert: Jean-Claude Eloy – 45 Jahre elektronische Musik
23, 25. & 26. Mai 2018

Alte Feuerwache
Melchiorstr. 3
50670 Köln

Konzerte:
Freitag, 25. Mai 2018 / 20 h Saal
"Shânti" (1972/1973)
Samstag, 26. Mai 2018 / 20 h Saal
"The Midnight Of The Faith" (2014)
Vortrag & Gespräch:

Mittwoch, 23. Mai 2018 / 18 h Kinoraum
„45 Jahre elektronische Musik" Vortrag von Jean-Claude Eloy und Dr. Leopoldo Siano

Anlässlich seines 80. Geburtstags präsentiert die reiheM an zwei Abenden in Köln zwei großformatige Werke des Franzosen Jean-Claude Eloy, der zu den einflussreichsten Komponisten gehört, die ausschließlich Mittel der elektronischen Klangerzeugung nutzen.

Am Freitag, 25. Mai, kommt Jean-Claude Eloys allererste elektronische Komposition überhaupt, „Shânti“ aus den Jahren 1972/73, zu Gehör, das seinerzeit im Studio für Elektronische Musik des WDR auf Einladung von Karlheinz Stockhausen realisiert wurde.

Am Samstag, 26. Mai folgt „Le Minuit De La Foi“ („The Midnight Of The Faith“), komponiert gut vier Jahrzehnte später im Jahre 2014. (Eintritt: EUR 12,- / 9,- pro Konzertabend / Doppelticket: EUR 20,-/ 15,-)

reiheM Konzertreihe für Gegenwartsmusik, Elektronik und neue Medien – Köln wird veranstaltet von Mark e.V. und gefördert durch das Kulturamt der Stadt Köln und das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

Quelle: www.reihe-M.de
Foto © Jean-Claude Eloy

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