„Weil Gott bei uns am Tisch sitzt …“ Anonyme Alkoholiker helfen sich selbst

25 Jahre PrienAlkohol sei etwas Schönes – wenn man damit umgehen könne, gesteht Hannes (alle Namen geändert, Red.) mit Blick auf seine Alkoholkrankheit. Kontrolliert trinken, könne er nicht ... Wir sind bei einem Meeting der Anonymen Alkoholiker (AA) in Prien, einer Selbsthilfegruppe, die heuer ihr 25-jähriges Jubiläum begeht. In den Räumlichkeiten der Caritas treffen sich wöchentlich Menschen, die Probleme mit Alkohol haben.
„In der trinkenden Wirklichkeit hast du als alkoholkranker Mensch ohne eine Selbsthilfegruppe keine Chance zu überleben“, beschreibt Peter die Situation. Viele der Anwesenden sind bereits seit Jahren trocken – nur mithilfe der AA, wie sie beteuern. Teilnehmen an den dienstäglichen Treffen kann jeder. Einzige Voraussetzung ist der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören. Die AA leisten Hilfe zur Selbsthilfe, es ist quasi ein spirituelles Programm unter Gleichgesinnten.
Jeder erzählt, was er möchte, wie der Tag war, wie oder ob er es geschafft hat, nicht zu trinken – ohne Kommentare, Kritik oder Ratschläge der anderen zu erhalten. Eigenverantwortung – das lernen die Teilnehmer hier, ebenso wie Demut und Gelassenheit. Zu akzeptieren, was man nicht ändern kann. Aber auch den Mut zum Wandel. Weshalb am Ende einer Sitzung immer eine Gelassenheitsformel gesprochen wird. „Es ist ein spirituelles Erwachen, bei der jeder an der Erfahrung, der Kraft und der Hoffnung der anderen wachsen kann“, erklärt Albert, eines der Gründungsmitglieder. Obwohl schon jahrzehntelang trocken, nimmt er noch immer regelmäßig an den Treffen teil. Sie sei seine „Lebensversicherung“, was alle anderen auch so umschreiben. „Ohne die Meetings wird man schwach; je länger die Abstinenz war, umso schlimmer der Absturz“, erzählt Mischa, seit 24 Jahren wöchentlich bei AA und seither ohne Alkohol. Es reiche nicht, zuzuhören, sondern man müsse die Stelle finden, an der man vom Weg abgekommen sei. Er sei unzählige Male rückfällig geworden, erst mit den AA habe er es geschafft.
Die Höhen und Tiefen der anderen hätten ihn motiviert. Auch Rolf war völlig verzweifelt, wollte sich umbringen. Dennoch habe er nie geglaubt, dass er krank sei, selbst als er zwei Jahre auf der Straße gelebt habe. Erst nach dem Entzug habe er bei den AA gelernt zuzuhören. „Ich dachte, das Leben ist nur im Suff zu ertragen.“ Mit den AA habe er sich angeeignet, Schwierigkeiten auszuhalten, erfahren, es gehe immer weiter. Heute erfreue er sich am Leben und sei zufrieden. Sich einzugestehen, dass man Alkoholiker sei, ist ein erster Schritt, weshalb sich die Teilnehmer im Meeting auch so vorstellen. Edith gestand, es sei heute ein schwieriger Tag für sie gewesen. Sie habe große Scham erlebt, was den Druck zu trinken erhöht habe. Sie habe es aber geschafft, es wegzudrücken. „Heute wäre ich normalerweise nicht ohne Alkohol nach Hause gegangen – aber ich habe ja die AA, das hat mir geholfen.“ „Die Machtlosigkeit gegenüber dem Alkohol – es ist eine körperliche und seelische Krankheit. Man kann so viel gegensteuern, wie man will“, erklärt Rita, die als Klinikpatient die Priener Gruppe als Gast besucht.
Zehn Jahre war sie alkoholabhängig, wollte nicht mehr leben; mit den AA habe sie es geschafft aufzuhören. „Die Gemeinschaft, die Ehrlichkeit untereinander und die spirituelle Energie macht es aus – anderen zu helfen, hilft einem selbst“, so ihr Fazit. Dabei sind die AA weder eine Sekte noch ein religiöser Verein, dennoch haben viele der Teilnehmer zum Glauben gefunden – so wie ihn jeder für sich versteht. Michael erzählt, seine oberflächliche Lebensart habe sich durch die Meetings verändert. „Gott ist in mein Leben getreten mit der Natur, die ich jetzt wahrnehme.“ Er sei innerlich zufrieden und könne endlich Glück spüren. Was machen die AA anders als andere Selbsthilfegruppen? Albert bringt es auf den Punkt: „Es ist eine Art spirituelle Fortbildung. Man lernt Eigenverantwortung, das Selbstwertgefühl erhöht sich in der Gemeinschaft, beides führt zu persönlichem Wachstum. Und so gelingt es, wieder ein konstruktives und wertvolles Leben zu führen. Für andere da sein zu können, das trägt uns alle. Wenn das spirituelle Programm an erster Stelle steht, muss man nicht mehr trinken.“

Anonyme Alkoholiker
Wurden 1935 in den USA von zwei Alkoholkranken gegründet, die feststellten, dass ihr Zwang zu trinken verschwand, als sie sich offen über ihre Krankheit unterhalten konnten. 1953 entstanden auch in Deutschland solche Treffen, initiiert durch den Aufruf amerikanischer Soldaten, selbst Alkoholiker bei AA. Sie wollten diese Genesungsbotschaft an deutsche Alkoholiker weitergeben. Seither gründeten sich unzählige Gruppen bundesweit in vielen Städten sowie in insgesamt 185 Ländern, so dass Betroffene immer eine Anlaufstelle finden, ganz gleich, wo sie sich gerade aufhalten. Weltweit existieren knapp 120.000 Gruppen mit insgesamt über 2 Millionen Teilnehmern (Stand Januar 2016), die ganz ohne Mitgliedsbeiträge oder Gebühren auskommen, denn die AA finanzieren sich ausschließlich über eigene Spenden. Unter den Gleichgesinnten entsteht ein Gefühl der Gemeinschaft, das unterstützt, mit dem Trinken aufzuhören. Ausgesprochenes Ziel ist es, sich selbst und anderen zu helfen, nüchtern zu bleiben. Dabei versucht ein „Neuling“ zunächst, den Alkohol nur für den heutigen Tag zu lassen. Damit ihm dies auch am nächsten Tag gelingt, sollen ihm zwölf Schritte und zwölf Traditionen helfen – Gedanken, Anregungen und Taten –, die bei jeder Sitzung vorgelesen werden. Verinnerlicht und umgesetzt sollen sie die Alkoholiker zu einem erfüllten und zufriedenen Leben führen. Dabei geht es auch um Glaube und Gott, dem man sich anvertrauen kann, um die geistige Gesundheit wiederzuerlangen – allerdings in der Art und Weise, wie ihn jeder für sich versteht.

Quelle Text: www.text-fabrik.de

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